- Der Widerstand auf Arbeitnehmerseite gegen ein höheres Rentenalter scheint zu bröckeln.
- Der Verband Angestellte Schweiz hält laut seines Geschäftsführers angesichts der finanziellen Schieflage der AHV ein höheres Pensionsalter für unausweichlich.
«Wir müssen die Altersguillotine 65 überdenken», sagt Stefan Studer, Geschäftsführer von Angestellte Schweiz, gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Schieflage der ersten Säule
Man sei es den künftigen Generationen schuldig, die AHV in einem gesunden Zustand zu erhalten. «Konkret brauchen wir eine Flexibilisierung des Rentenalters.» Dabei verweist der 58-jährige Gewerkschafter auf die Schieflage der ersten Säule.
Bis zum Jahr 2045 prognostiziert der Bund auch bei Annahme des umstrittenen AHV-Steuer-Deals, der am 19. Mai zur Abstimmung gelangt, ein kumuliertes Defizit von 170 Milliarden Franken, sofern keine weiteren Reformen erfolgen.
Alte Denkmuster verlassen
Eine nachhaltige Sanierung gelinge nur, wenn man alte Denkmuster verlasse, sagt Studer weiter. Ihm schwebt ein Modell vor, wie es in Schweden mit Erfolg praktiziert wird. Dort ist das Pensionsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung gekoppelt. Wenn die Wertschätzung stimme, seien viele bereit, länger zu arbeiten, allenfalls mit einem tieferen Pensum, sagte Studer.
Die meisten Menschen, so fährt er fort, hätten Freude an ihrem Job und seien in einem Beruf tätig, der ihrem Leben einen Sinn stifte. Aber natürlich gebe auch körperlich anspruchsvolle Berufe, zum Beispiel auf dem Bau, die auch künftig keine Arbeit bis 65 zulassen würden.
Tabubruch für Schweizerischen Gewerkschaftsbund
Gabriela Medici, Zentralsekretärin beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund, hat den heutigen Artikel über Stefan Studers Forderung in der «NZZ am Sonntag» mit Befremden gelesen. «Es gibt viele Personen, die schon heute nicht bis 65 arbeiten können. Deshalb sehen wir keinen Handlungsspielraum für eine Erhöhung des Rentenalters.» Solange die Situation für ältere Arbeitnehmer so prekär und zunehmend schwierig werde, sehe der Gewerkschaftsbund keine Möglichkeit, das Rentenalter zu erhöhen.