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Goldener Fallschirm Abwahlversicherung für Stadträte: abschaffen oder behalten?

Rapperswil-Jona hat künftig keine mehr, Frauenfeld will die finanzielle Absicherung neu gestalten. Die Argumente.

Eine Abwahlversicherung ist aus Sicht von Barbara Dillier, der neuen Stadtpräsidentin von Rapperswil-Jona, ein unzeitgemässes Privileg. Das schaffe nur zusätzliche Kosten, die der Steuerzahler bezahlen müsse. Deshalb hat sie gemeinsam mit dem Stadtrat kurz nach ihrer Wahl die Abwahlversicherung in Rapperswil-Jona abgeschafft.

Eine Abwahlversicherung ist ein unzeitgemässes Privileg.
Autor: Barbara Dillier Stadtpräsidentin Rapperswil-Jona

«Eine moderne bürgernahe Politik braucht Transparenz, Fairness und Verantwortungsbewusstsein», sagt die neue Stadtpräsidentin. Der Stadtrat hat die Versicherung bei der Thurgauer Bürgschaftsgenossenschaft gekündigt. Die Stadt spart damit maximal ein Prozent der Lohnsumme.

So funktionert die Abwahlversicherung

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Urne
Legende: Keystone/Alessandro della Valle

Die Prämie für die Abwahlversicherung beträgt gemäss der Thurgauer Bürgschaftsgenossenschaft, welche diese Versicherung anbietet, ein Prozent des Jahreslohns. Eine abgewählte Person erhält im ersten Jahr 90 Prozent, im zweiten Jahr 80 Prozent des Lohns und so weiter, sagt Genossenschaftsvorstandsmitglied Walter Schnyder. Die betroffene Person muss allerdings eine neue Stelle suchen, sonst können die Zahlungen eingestellt werden.

Finanziell gut gebettet wäre zurzeit ein abgewählter Stadtpräsident in Frauenfeld. Dort ist im Vorsorgereglement festgeschrieben, dass bis zum Pensionsalter konstant 50 Prozent des Lohns ausbezahlt wird, auch bei jungen Abgewählten. Hier gibt es Bestrebungen auf das Modell der Abwahlversicherung zu wechseln.

Frauenfeld will neu eine Abwahlversicherung

Für den abtretenden Frauenfelder Stadtpräsidenten Anders Stockholm macht eine Abwahlversicherung durchaus Sinn. «Die Zeiten für einen goldenen Fallschirm sollten vorbei sein», sagt Stokholm. Aber als Stadtpräsident oder Stadträtin stehe man stark in der Öffentlichkeit und müsse einiges einstecken.

Das Geld ist gut investiert.
Autor: Anders Stokholm Bisheriger Frauenfelder Stadtpräsident

«Wenn man als Dank für die Arbeit dann die Abwahl hat, glaube ich schon, dass sich die nachfolgende Generation überlegt: Will ich das Amt überhaupt?» Deshalb lohne sich eine Abwahlversicherung: «Das Geld ist gut investiert».

Thurgauer Bürgschaftsgenossenschaft

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Die Thurgauer Bürgschaftsgenossenschaft (TBG) ist ein nicht gewinnorientierter Verein. Sozusagen eine Selbsthilfeorganisation für Gemeindepolitikerinnen und -politiker, die dort eine Abwahl versichern können. Häufig zahlt die Stadt einen Teil oder die ganze Prämie. Der Verein versichert auch Politiker aus anderen Kantonen, nicht nur aus dem Thurgau.

Die Prämie soll in Frauenfeld künftig halbe-halbe auf die Stadt und auf den Amtsträger verteilt werden. Sie würde die Stadt für vier Stadträte rund 2900 Franken im Jahr kosten.

Es gibt auch die gegenteilige Haltung

Thomas Widmer, Politikwissenschafter der Uni Zürich, glaubt nicht an die Anreizfunktion solcher Absicherungen. «Die finanzielle Absicherung nach einer möglichen Abwahl aus einem politischen Mandat steht bei der Überlegung, ob jemand ein Amt antritt, nicht im Vordergrund», ist Widmer überzeugt.

Es seien die Attraktivität der Aufgabe und möglicherweise die Entschädigung während der Amtstätigkeit, welche den Entscheid beeinflussen, sagt Widmer.

Ich schliesse nicht aus, dass es Politikerinnen oder Politiker gibt, die sich lieber abwählen lassen, als selber zurückzutreten.
Autor: Thomas Widmer Politikwissenschafter der Uni Zürich

Der Politikwissenschafter schliesst nicht aus, dass es Politikerinnen oder Politiker gibt, die sich lieber abwählen lassen, als selber zurückzutreten. Dies sei natürlich nicht im Sinne der Institution. Wenn jemand allerdings unverschuldet ein Amt verliere, zum Beispiel dann, wenn sich die politischen Verhältnisse ändern, dann mache eine solche Versicherung durchaus Sinn. Die Politiker können sich auch selber versichern und die volle Prämie selber bezahlen.

Verschiedene Ansätze

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Die Städte St. Gallen und Kreuzlingen haben eine Abwahlversicherung. Stadt und Politiker bezahlen je einen Teil der Prämie. Wie lange und wieviel Geld man bekäme, ist unterschiedlich.

Frauenfeld hat bis jetzt eine grosszügige Lösung über das Vorsorgereglement. Bis zum Pensionsalter gibt es 50 Prozent des Lohns. Das soll jetzt ändern.

In Appenzell war eine Abwahlversicherung noch nie ein Thema, heisst es beim Bezirk.

Es komme zurzeit vor, dass Exekutivpolitikerinnen und -politiker ihre Wiederwahl gefährden, indem sie beispielsweise im Gesundheitsbereich Spitäler schliessen, sagt Politikwissenschafter Thomas Widmer. Grundsätzlich seien Abwahlen aber noch immer Ausnahmen.

Schweiz Aktuell, 10.2.2025, 19:00 Uhr ; 

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