Gratis-ÖV – für viele im Kanton Genf ist das möglich. Denn seit Neujahr dürfen unter 25-Jährige kostenlos – und Rentnerinnen und IV-Bezüger zum halben Preis Bus, Tram und Regionalzug fahren.
Gibt es etwas gratis, ist der Ansturm bekanntlich gross: Wie der Leiter des Genfer Tarifverbunds Unireso, Rémy Burri, sagt, hätten sie bis vergangenen Freitag über 36'000 neue Abonnements verkauft. Darunter fallen 31'000 Kinder und junge Erwachsene unter 25 Jahren sowie 5000 Rentnerinnen und IV-Bezüger, die sich das Jahresabo zum 50-Prozent-Rabatt holten.
Man habe viel mehr Abonnements verkauft als noch letztes Jahr, versichert Burri. Während letztes Jahr nur gerade zwei Drittel aller der Genferinnen und Genfer unter 25 Jahren ein Abonnement besassen, dürfte der Anteil dieses Jahr auf 90 Prozent ansteigen.
Luzern: 365 Franken für Junge im ÖV
Der Kanton Genf rechnet pro Jahr mit Kosten von 32 Millionen Franken. Sein Vorhaben verfolgen auch andere Kantone – wie zum Beispiel Luzern. Am Dienstag hat die SP im Kantonsrat eine Motion eingereicht, die ÖV-Gutscheine für Jugendliche verlangt. Unter 25-Jährige sollen für ihr Abo 365 Franken im Jahr zurückerhalten.
Das Vorhaben soll Junge nachhaltig in den öffentlichen Verkehr bringen. «Wenn wir früh Anreize setzen wollen, dass Leute den ÖV nutzen sollen, dann muss man früh ansetzen», sagt SP-Kantonsrat Gianluca Pardini.
Einfach wird es der Vorstoss im Luzerner Kantonsrat kaum haben. Irgendjemand zahle immer die Rechnung, sagt der Luzerner FDP-Verkehrspolitiker Martin Birrer. «Jeder, der in einen Bus steigt, sollte etwas bezahlen.»
Die Diskussion um Gratis-ÖV oder Vergünstigungen für bestimmte Personengruppen wird auch in anderen Kantonen geführt. Der Berner Grosse Rat hat vergangenen November Gratis-ÖV für Kinder und Jugendliche abgelehnt. Die Kosten von rund 30 Millionen Franken im Jahr seien grösser als der Nutzen, argumentierten damals die Gegner.
Einen Kompromiss gab es im Kanton Basel-Stadt. Unter 25-Jährige können zwar nicht kostenlos ins «Trämmli» steigen, bezahlen aber seit April für ein Abo nur noch 365 Franken.
Und auch in den Kantonen Waadt, Freiburg oder Neuenburg gab es bereits Vorstösse für Gratis-ÖV, bis jetzt aber ohne Erfolg.
Wenn das System schon ziemlich überlastet ist, dann ist mehr nicht unbedingt besser.
Wie viele Leute für öffentliche Verkehrsmittel selbst bezahlen sollen, sei am Ende des Tages eine politische Frage, sagt Eva Heinen, ETH-Professorin für Verkehrs- und Mobilitätsplanung. Eine allgemeine Lösung gebe es nicht, gerade weil der Preis Einfluss darauf habe, wie viele Leute den ÖV benutzen. «Wenn das System schon ziemlich überlastet ist, dann ist mehr nicht unbedingt besser. Wenn es aber noch nicht an der Grenze ist, dann ist es aus Gründen der Umwelt sinnvoll», so die Mobilitätsexpertin.
Diese Abwägungen muss man in Genf im Moment nicht mehr machen. Der Betrieb rollt – und unwohl fühlt sich der Pionierkanton dabei offensichtlich nicht. «Das ist doch einmal eine ‹Genferei› von der interessanten Sorte», sagt Unireso-Chef Burri.