Die instabile geopolitische Lage ist für manche Wirtschaftszweige Gold wert: Etwa für den Rohstoffhandel und die Banken. Weil genau diese beiden Wirtschaftssektoren besonders stark im Kanton Genf vertreten sind, schreibt Genf ein Plus von fast 1.4 Milliarden in der Rechnung für das letzte Jahr.
Mit dem grossen Überschuss sollen die Steuern für Privatpersonen gesenkt werden. Die Regierung kommt überraschenderweise aber noch mit einem anderen Vorschlag, um die Haushalte zu entlasten: Der ganze öffentliche Verkehr im Kanton Genf soll bis zum 25. Geburtstag gratis sein.
Tram und Busse in der Genfer Innenstadt, aber auch die Züge der SBB auf Genfer Kantonsgebiet: In all diesen öffentlichen Verkehrsmitteln soll niemand mehr bezahlen müssen vor dem 25. Geburtstag. Verkehrsdirektor Pierre Maudet sagt: «In Luxemburg sind die öffentlichen Verkehrsmittel gratis. Es ist sehr interessant, was dort passiert ist. Für die Leute ist es nun ganz normal, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen. Sie überlegen nicht mehr.»
Der Kanton Genf kann es sich leisten
Die Idee kostet gemäss der Genfer Regierung rund 35 Millionen Franken pro Jahr. Der Kanton Genf kann sich das nach dem hohen Überschuss in der Rechnung leisten. Neben dem Gratis-ÖV für junge Menschen sollen deshalb auch die Steuern für Privatpersonen gesenkt werden. Maudet sieht den Gratis-ÖV in erster Linie als soziale Massnahme, um die Haushalte finanziell zu entlasten. Aber nicht nur: «Das Ziel ist, dass die Leute nachher bezahlen.»
Der vorgeschlagene Gesetzestext will den ÖV für alle zwischen 6 und 24 Jahren gratis machen. Das heisst, dass auch junge Menschen den Genfer ÖV gratis nutzen dürfen, die im benachbarten Frankreich oder anderswo in der Schweiz leben.
Das Thema Gratis-ÖV kam zuletzt in mehreren Kantonen auf. Nicht nur für junge Menschen, sondern für alle. Entsprechende Volksinitiativen wurden aber vom Bundesgericht für ungültig erklärt, weil sie nicht mit der Bundesverfassung vereinbar seien. Pierre Nicollier, Präsident der Genfer FDP, hat Zweifel, ob ein Gratis-ÖV für Junge legal ist. Sein Ziel sei es, eine neue «Genferei»zu verhindern, so Nicollier.
Die FDP will deshalb nicht rasch vorwärtsmachen, sondern zuerst einer Kommission des Grossen Rates den Auftrag geben, vertiefte Abklärungen zu machen. Andere Parteien wie die SP und die Grünen signalisieren Unterstützung, wollen die Folgen aber noch genauer prüfen.
Es braucht immer ein Billett
Sicher ist: Vor dem 25. Geburstag ganz ohne Billett einzusteigen, wird nicht möglich sein, sagt Helmut Eichhorn, Geschäftsführer der Alliance SwissPass, der Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz: «Es ist so, dass jede Person einen gültigen Fahrausweis haben muss. Das sind die Vorgaben. Es ist eine andere Frage, wie dieses Billett bezahlt wird.» Er kenne die Genfer Idee nicht. Wie sie umgesetzt werden könne, werde erst klar, wenn die Details bekannt seien.
Verkehrsdirektor Maudet will Gratistickets für Einzelstrecken und Gratisabonnements einführen. Er ist überzeugt, dass der rechtliche Rahmen eingehalten wird: «Wir denken, dass es legal ist, wenn wir es nicht für einen zu grossen Teil der Bevölkerung bewilligen.» Dies sei bei den unter 24-Jährigen der Fall.
Noch heute Abend beginnen die Beratungen im Genfer Kantonsparlament. Frühestens eingeführt wird der Gratis-ÖV bis zum 25. Geburtstag nach den Sommerferien.