Das Zürcher Stadtparlament hat kürzlich einen SP-Vorstoss überwiesen, der Nachtbusse während 365 Tagen im Jahr verlangt. Der Stadtrat muss nun innert zweier Jahre prüfen, ob und wie so ein «24-Stunden-ÖV» umzusetzen wäre.
SP-Lokalpolitiker Severin Meier ist überzeugt: Was am Wochenende funktioniert, kann auch unter der Woche ein Erfolg sein. Zudem sei es weniger gefährlich, in der Nacht mit dem ÖV statt mit dem Auto unterwegs zu sein. Auch werde das Angebot die Stadt unter der Woche beleben.
Kritische Stimmen fehlten nicht
SVP-Gemeinderat Johann Widmer sah im Vorschlag nur linke Klientelpolitik. Um unter der Woche «auch noch ein paar Parties schmeissen zu können», wie er sich ausdrückte. Und da es zurzeit einfach saukalt sei, um mit dem Velo nach Hause zu fahren.
«Von Montag bis Donnerstag ist die Stadt Zürich in der Nacht tot», sagt George Botonakis, Präsident des Zürcher Taxiverbandes. In diesen ruhigen Stunden seien etwa 100 Taxis unterwegs, die im Schnitt zwei bis drei Taxifahrten machten.
Es lohne sich somit auch wirtschaftlich nicht, für 300 bis 400 Passagiere einen ganzen öffentlichen Fuhrpark in Bewegung zu setzen. Laut Botonakis würden auch die lukrativen Frühfahrten zum Flughafen wegfallen, wenn durchgehend Busse und S-Bahnen im Einsatz wären.
Das Berner Projekt
Um mehr Kapazitäten zu schaffen, will auch in Bern die SP mehr ÖV zu Randzeiten. So sollen neu in der Nacht am Wochenende S-Bahnen statt Busse zwischen den Städten verkehren, allerdings nur Freitag- und Samstagnacht.
Bis vor zwei Jahren verkehrten Nachtbusse rund um Bern bereits ab Donnerstag, wie Seraina Ziörjen, Geschäftsführerin der Nachtliniengesellschaft Moonliner, sagt. Wegen der schlechten Auslastung am Donnerstag habe man nun auf die Wochenendnächte mit grosser Nachfrage fokussiert.
Wenn Kundschaft da ist oder ein Potenzial vermutet wird, sollte es auch ein ÖV-Angebot geben.
Der ÖV wird durchschnittlich bis zur Hälfte durch Steuergelder finanziert. Da ist die Frage berechtigt, ob sich ein durchgehendes ÖV-Nachtangebot lohnt. Für Ueli Stückelberger, Direktor des nationalen Verbandes öffentlicher Verkehr ( VÖV) ist klar: «Wir wollen mehr Menschen im öffentlichen Verkehr. Es gilt der Grundsatz: Wenn Kundschaft da ist oder ein Potenzial vermutet wird, sollte es auch ein ÖV-Angebot geben.»
Und der Personalmangel?
Stückelberger ist überzeugt, dass mit einem lukrativen Nachtangebot mehr Personen vom Auto auf Bus oder Zug umsteigen. Das bedeutet aber auch mehr Personalbedarf. So mussten jüngst etwa die Zürcher Verkehrsbetriebe mangels genügend Trampersonal den Fahrplan ausdünnen.
Personalmangel sei kein Grund, auf Nachtangebote zu verzichten, findet Stückelberger. Das Angebot müsse tags wie auch in der Nacht der Nachfrage entsprechen. So werde in Bern geprüft, den Takt am Freitag auf gewissen Linien etwas auszudünnen, weil weniger Menschen zur Arbeit gingen.
Das Bündner Projekt
Wichtig sei auch, neue Angebote mutig auszuprobieren, so Stückelberger. Wie in der Region Lenzerheide, wo seit diesem Winter versuchsweise ein 24-Stunden-Busbetrieb auch unter der Woche läuft.
Laut Thierry Müller, zuständig für den ÖV im Kanton Graubünden, ist man bis jetzt zufrieden: Es gebe bereits eine Stammkundschaft. Um Leerfahrten zu vermeiden, müssen die Passagiere die Kleinbusse per App buchen. Personalprobleme verneint Müller. Zusammen mit den lokalen Taxiunternehmen ergebe sich eine Win-win-Situation. Der Versuch dauert bis zum Saisonende Mitte April. Dann ziehen die Bündner Bilanz.