Das Hölloch im Muotatal ist die längste Höhle der Schweiz. Bislang sind gut 210 Kilometer erforscht. Nun aber wird dem Primus sein Platz streitig gemacht. Denn eine Höhle im Kanton Bern soll noch grösser sein.
Überzeugte Höhlenforschende
Konkret geht es um die Siebenhengste-Hohgant-Höhle im Norden des Thunersees. Sie steht derzeit mit ihren 164 Kilometern auf Rang zwei. Aber in ihrer Umgebung gruppieren sich weitere Höhlensysteme. Darunter auch der Bärenschacht, 84 Kilometer sind vermessen.
Irgendwo muss es eine Verbindung zwischen den beiden Höhlen geben.
Niemand kennt die Berner Höhlensysteme besser als Höhlenforscher Rolf Siegenthaler. Ganze Wochen verbringt der Burgdorfer auf Expedition unter Tag. Für ihn gibt es keine Zweifel: «Irgendwo muss es eine Verbindung zwischen den beiden Höhlen geben.»
«Den Zusammenschluss von der Siebenhengste-Hohgant-Höhle und dem Bärenschacht zu finden, wäre ein Highlight», so Rolf Siegenthaler. Ein Highlight, das sich wohl nur einmal im Leben eines Höhlenforschers bietet.
Vor 60 Jahren haben Bauern auf der Suche nach Quellwasser oberhalb von Beatenberg eine mannsgrosse Spalte im Karstfelsen entdeckt: den Bärenschacht. Er führt 940 Höhenmeter hinunter auf das Niveau des Thunersees und besteht aus drei senkrechten, kaminartigen Schächten und langen Gängen. So eng, dass die Forschenden teils kriechen oder gar robben müssen.
Endgültiger Beweis fehlt noch
Tief im Bergesinnern suchen die Höhlenforschenden nach dem grossen Zusammenschluss. Aber nicht nur. «Jeder und jede, die hier herabsteigt, muss sich mit sich selbst beschäftigen. Höhlenforschung ist eine Lebensschule», sagt Christian Lüthi aus Interlaken, ausserhalb der Höhle arbeitet er als Forstingenieur.
Bauingenieurin Myriam Homburger ergänzt: «Tief im Berg darfst du nicht dem Tagesgeschäft nachstudieren, du musst dich absolut auf dein Handeln konzentrieren, sonst wird es gefährlich».
Noch fehlen für den Zusammenschluss der beiden Höhlensysteme Bärenschacht und Siebenhengste-Hohgant rund 500 Meter. Zwar hätten Wasserfärbungen bereits gezeigt, dass die Höhlen zusammenhängen. «Aber damit es wirklich gilt, muss erst ein Mensch durch und die Verbindung vermessen», so Rolf Siegenthaler.
Plötzlich siehst du, die Gänge führen weiter!
Lange stellte ein 400 Meter langer, 23 Meter tiefer und mit Wasser gefüllter Siphon für die Höhlenforschenden ein unüberwindbares Hindernis dar. Höhlentaucher Michael Höttl ist es einmalig gelungen, den Siphon zu durchtauchen: «Der Moment des Auftauchens war unglaublich. Jahrelang war im trüben Wasser Schluss und plötzlich siehst du, die Gänge führen weiter!»
Wann gelingt der Zusammenschluss?
Die Bedingungen fürs Höhlentauchen waren im letzten Winter schlecht. Das Tauchmaterial zum Siphon tief im Bergesinnern zu schaffen, ist eine grosse logistische Herausforderung. Die Forschenden wagen deshalb keine Prognose, wann der Zusammenschluss der beiden Karsthöhlensysteme gelingen könnte.
Ausser Zweifel steht für sie aber, dass sie irgendwann beweisen können: Die Hohgant-Siebenhengste-Beatenberg-Höhle ist das grösste zusammenhängende Höhlensystem der Schweiz. Bis dahin bleibt das Hölloch im Muotatal auf Platz eins.