In der Schweiz gibt es rund 9000 bekannte Höhlensysteme, die von Forschern, Speläologen in der Fachsprache, erforscht und befahren werden. Höhlen werden nicht erwandert oder begangen, sondern befahren. Dies in Anlehnung an den Bergbau. Die grösste Höhle der Schweiz ist das Hölloch im Muotathal mit einer Länge von 207 Kilometern. Kommen Sie mit und entdecken Sie mit dem SRF 1-Outdoor-Reporter Marcel Hähni die Schweiz von unten!
1. Lac Souterrain Saint-Léonard – die Höhle für Romantiker
Der unterirdische See von Saint-Léonard ist das ideale Ausflugsziel für Verliebte. Da er mit Booten befahren werden kann und die Bootsführer ihren Gästen auch Lieder vorsingen, müssen Romantiker nicht extra nach Venedig fahren.
Unterirdischer See von St. Léonard: Eindrücke und Anreise
-
Bild 1 von 5. Eine beschiffbare Höhle. Bis zu vier Boote können auf dem unterirdischen See eingesetzt werden. Das grösste fasst 40 Personen. Die Fahrt dauert rund 30 Minuten. Bildquelle: lac-souterrain.com.
-
Bild 2 von 5. Romantik im Weinberg. Auf dem unterirdischen See von Saint-Léonard finden in normalen Jahren regelmässig Konzerte statt. Die Künstler sitzen in einem extra Boot, die Zuschauerboote werden mit Kissen und Decken ausgerüstet. Dazwischen gibt es auch immer wieder mal Anfragen für Heiratsanträge und weitere romantische Überraschungen. Bildquelle: lac-souterrain.com.
-
Bild 3 von 5. Grösster unterirdischer See Europas. Der See hat eine Länge von rund 300 Metern und ist zwischen vier und zehn Metern breit. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
-
Bild 4 von 5. Anreise:. Das Dorf Saint-Léonard liegt zwischen Siders und Sion. Aus der Deutschschweiz ist der schnellste Weg der Autoverlad am Lötschberg. Eine weitere Variante ist die Anfahrt über die Autobahn von Bern über Lausanne und Martigny. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Unscheinbarer Eingang. Mitten in einem Wohnquartier, an einem Rebberg in der Gemeinde Saint-Léonard, befindet sich der Einstieg zum unterirdischen See. Bildquelle: SRF.
Mit 6000 Quadratmetern Seefläche ist der See von Saint-Léonard der grösste bekannte natürliche unterirdische See Europas. Bei der Entdeckung der Höhle reichte der Wasserspiegel bis fast an die Decke. Durch ein Erdbeben am 25. Januar 1946 senkte sich der Wasserspiegel massiv und die Höhle wurde befahrbar. 1949 wurde sie für Besucher zugänglich gemacht. Seither werden auf dem See auch Bootsfahrten und Veranstaltungen angeboten.
Man fühlt sich hier wie auf einer Gondel in Venedig. Nur ist es viel ruhiger und gemütlicher.
Für den Besuch in Saint-Léonard reise ich am frühen Morgen in das Unterwallis. Der Eingang zur Höhle liegt unscheinbar an einem Weinberg zwischen Siders und Sitten. In einem Boot, in dem bis zu 19 Personen Platz hätten, werde ich auf dem See in die Höhle hinein gefahren. Es herrscht eine eindrückliche Stimmung. Für mich als Alleinreisenden ist es Demut pur.
2. St. Beatushöhlen – die Familienhöhle am Thunersee
Die St. Beatushöhlen haben ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem, welches die Höhlen optimal ausleuchtet. Die Wege sind gut ausgebaut und daher für jedes Publikum – egal ob jung oder alt – sehr gut machbar.
Die St. Beatus-Höhlen: Eindrücke und Anreise
-
Bild 1 von 5. Anreise: . Die St. Beatushöhlen liegen am oberen Thunersee bei Interlaken am Fusse des Niederhorns. Von der Strasse am See geht es rund 60 Meter zum Höhleneingang hinauf. Mit dem öffentlichen Verkehr lohnt sich die Anreise mit dem Schiff. Bildquelle: St. Beatus-Höhlen.
-
Bild 2 von 5. Ohne Wasser keine Höhlen. Auch für die St. Beatushöhlen ist das Wasser verantwortlich. Mit einer ungeheuren Kraft hat es sich über Millionen von Jahren einen Weg durch den Berg gesucht. Bei heftigen Gewittern kann die Höhle auch heute noch geflutet werden. Die Höhle ist dann gesperrt. Bildquelle: St. Beatushöhlen.
-
Bild 3 von 5. Stalagmiten. Faszinierende Fotos kann in der Höhle übrigens jeder machen. Es ist nicht dunkel. Ein modernes Beleuchtungssystem erhellt die schönsten Stellen der Höhle. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 5. Nicht schön. Auf die Wände der St. Beatus-Höhlen haben Besucher aus aller Welt ihre Namen gekritzelt. Da Höhlen unter das Naturschutzgesetz fallen, sind solche Schmierereien verboten. Es entsteht ein Schaden im heiklen Höhlenkosmos. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Eine Höhle für alle. Outdoor-Reporter Marcel Hähni lässt sich von Marc Schneider, dem stellvertretenden Geschäftsführer der St. Beatushöhlen, die Höhle erklären. Die Höhle ist leicht zugänglich und eignet sich auch für Familien. Sogar Hunde haben Zugang. Für Kinderwagen oder Rollstühle ist sie allerdings nicht geeignet. Bildquelle: SRF.
In die St. Beatushöhlen nehme ich die ganze Familie mit. Der Hund bleibt in der Ferienwohnung. Die Beleuchtung setzt die Sehenswürdigkeiten optimal in Szene. In der Höhle ist es an diesem heissen Sommertag angenehm kühl. Nach rund einer Stunde und einem Rundgang von gut zwei Kilometern im gesamthaft 12 Kilometer langen Höhlensystem sind wir wieder beim Ausgang. Genau der richtige Zeitaufwand für kleinere und grössere Kinder, denn hier haben meine Teenager-Töchter endlich wieder Handyempfang.
Stalaktiten und Stalagmiten, welche über Millionen von Jahren entstanden sind, werden durch das installierte Lichtspiel optimal ausgeleuchtet.
In den Höhlen am Beatenberg soll im Mittelalter einst ein Drache gehaust haben. Als der Mönch Beatus ihm mit dem Kreuz entgegentrat, floh der Drache und ertrank im Thunersee. So die Legende. Geschichtlich gesichert ist die Entdeckung der Höhlen durch Johannes Knechtenhofer. Er war Kapitän auf dem legendären Dampfschiff Blüemlisalp auf dem Thunersee. Mit seinen Matrosen stiess Knechtenhofer 1848 bis in eine Grotte vor, die ihm zu Ehren seither «Kapitänsgrotte» genannt wird.
3. Kanalisation von Bern – für Alltagshistoriker und «Gwundernasen»
Mit den historischen Ehgräben schlummert im Kanalisationssystem der Stadt Bern ein historischer Schatz. Wundernasen sehen zudem, was die Stadtberner wirklich alles die Toiletten hinunterspülen.
Die Kanalisation von Bern: Eindrücke und Anreise
-
Bild 1 von 5. Ab nach unten. Outdoor-Reporter Marcel Hähni, bevor er die ersten drei Meter in die Kanalisation hinabsteigt. Von dort geht es dann auf einer Steinwendeltreppe weitere fünf Meter in den Untergrund der Stadt Bern. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 5. Tropfsteinhöhle in der Kanalisation? Diese glitzernde Höhle befindet sich unter der Stadt Bern. Im Zweiten Weltkrieg wollten die Berner hier am Klösterlistutz einen Bunker für Kunstschätze bauen. Wegen dem stetigen Wassereinbruch liess man den Tunnel ungenutzt. Jahrzehnte später wurde er für ein Bauvorhaben wieder geöffnet. Zum Vorschein kamen Tropfsteine. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 5. 50 Treppenstufen. Der 70 Meter lange Rathauskanal befindet sich rund zehn Meter unter der Berner Altstadt. Der Einstieg ist direkt hinter dem Rathaus. Links und rechts läuft Abwasser in Richtung Hauptkanal. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 5. Aus Versehen das WC runtergespült? Die Stadt Bern sammelt Gegenstände, die sie in der Kanalisation findet. Werden diese in keinem Fundbüro abgeholt, kommt ein Teil davon in Vitrinen. Da sind auch Sackmesser, Scheren oder Münzen darunter. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Anreise:. Die Kanalisation liegt unter der Stadt. Eingänge gibt es diverse. Wer Sie besuchen möchte, der bucht am besten eine öffentliche Führung beim Tiefbauamt der Stadt. Im Moment finden keine Führungen statt. Bildquelle: SRF.
Bis weit ins Mittelalter wurden in der Stadt Bern die Siedlungsentwässerung, Tiermist, Küchenabfälle oder der Inhalt von Nachttöpfen in offenen Abwasserkanälen entsorgt. Die alten Kanäle sind noch heute unter der Stadt vorhanden. Über einen Einstieg direkt hinter dem Berner Rathaus gelangt man in den Rathauskanal aus dem frühen 17. Jahrhundert.
Wenn man genug früh hier ist und den Kanal gut lüftet, dann stinkt es hier unten überhaupt nicht.
Für den Ausflug nach Bern nehme ich meine ältere Tochter mit. Ich verspreche ihr, dass sie keine Fäkalien sehen wird. Kurz nach dem Einstieg hören wir eine Toilettenspülung und schon schwimmt die Bescherung an uns vorbei.
Der Kanal ist nur etwa 70 Meter lang. Zum Teil muss man gebückt gehen. In einem Schaukasten sind Sachen ausgestellt, die man in der Kanalisation gefunden hat. Da hat es Brillen, Sackmesser und andere Alltagsgegenstände. Den Abschluss der Tour, die zurzeit wegen der Coronapandemie nicht öffentlich angeboten wird, macht ein Blick in die Höhle im Klösterlistutz. Hier entstand in einem künstlichen Stollen, der im Zweiten Weltkrieg als Schutz von Kulturgütern vorgesehen war, durch einen stetigen Wassereinbruch eine Tropfsteinhöhle. Die Tropfsteinhöhle gefällt allen. Mir und meiner Tochter auch.
Hinweis: Im Moment finden in Bern keine Kanalisations-Führungen statt. Jedoch gibt es als Alternative auch im Zürcher Untergrund wahre Geheimnisse zu entdecken.
4. Landesplattenberg – das schwarze Gold der Glarner
Nach dem Besuch in der alten Schiefertafelfabrik geht es in das ehemalige Schieferbergwerk im Landesplattenberg Engi. Den Schiefer in der Hand, denkt man an die unzähligen Schulen und Jasser im ganzen Land, die mit Glarner Schieferplatten beliefert wurden. Dies ist ein idealer Familienausflug für alle, die kulturgeschichtlich interessiert sind und ihren Kindern zeigen wollen, wie früher in der Schule ohne Computer gearbeitet wurde.
-
Bild 1 von 5. Schiefer aus den Glarner Bergen. Oberhalb von Engi im Glarner Sernftal wurde über jahrhunderte Schiefer abgebaut . Der Plattenberg bildete im 17. Jahrhundert eine bedeutende Einkommensquelle und war so wichtig, dass der Berg unter die Aufsicht des Kanton Glarus gestellt wurde. Aus dem Plattenberg wurde der Landesplattenberg. Bildquelle: SRF.
-
Bild 2 von 5. Schiefer bis nach Westindien. Ab dem 18. Jahrhundert wurden aus dem Glarner Schiefer Schiefertafeln und Tische bis nach Holland und England exportiert und von dort dann weiter bis nach Ost- und Westindien. Im Jahr 1961 wurde der Schieferabbau aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 5. Letzte Schiefertafelfabrik der Schweiz. In Elm steht bis heute die alte Schiefertafelfabrik. Sie ist noch mit den alten Maschinen und dem Werkzeug eingerichtet und könnte auch noch betrieben werden. Hier wurde der Schiefer bearbeitet. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 5. Feinschliff für die Jasstafel. Als letzter Arbeitsschritt wurden die Ecken der Jasstafel gerundet. Auch diese Maschine ist ein Unikat und wurde von den Betreibern extra angefertigt. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Bergwerkgeschichte im Glarnerland. Der Eingang zum Schieferbergwerk im Landesplattenberg befindet sich oberhalb der Hauptstrasse bei Engi im Sernftal. Engi erreicht man mit dem Auto von Glarus her, Richtung Elm, in rund zwanzig Minuten. Führungen im Landesplattenberg Engi und in der Schiefertafelfabrik Elm bucht man über die Internetplatform der Stiftung Landesplattenberg. Bildquelle: SRF.
Der Schieferabbau brachte den Menschen im Glarner Sernftal Arbeit, Wohlstand und 1881 mit einem verheerenden Bergsturz den Tod von 114 Einwohnern. Bereits ab dem 16. Jahrhundert war der Schieferabbau am Plattenberg eine wichtige Einkommensquelle. Der hier gewonnene und in der Schieferfabrik verarbeitete Schiefer wurde in die ganze Schweiz und viele europäische Länder exportiert.
Demut entsteht und ich denke zurück an die alte Schiefertafel, die mein Grossvater beim Jassen benutzt hatte. Stöck–Wyys–Stich.
Ich fahre rund eine Stunde weiter nach Elm. Hier steht noch das Gebäude der ehemaligen Schiefertafelnfabrik, das heute ein Museum ist. Hans Rhyner übernimmt hier die Führung. Rhyner oder Schneider. So heisst man in Elm. Alle Anderen sind zugezogene. Rhyner ist ein fantastischer Guide, der unzählige Geschichten kennt. Nach der Fabrik geht es in den Berg in Engi. Hier bricht die ganze Herrlichkeit des schwarzen Goldes des Glarnerlandes auf mich herein.
5. Das Hölloch – für wagemutige Entdecker
Mit 207 Kilometern ist das Hölloch die grösste Höhle der Schweiz. Wer mit einem Höhlenguide – ausgerüstet mit Overall, Helm, Gummistiefeln und Stirnlampe – die Hauptwege verlässt, kann sich tagelang hier unten aufhalten und seine Forschergene ausleben.
Das Hölloch: Eindrücke und Anreise
-
Bild 1 von 5. Das grösste Höhlennetz der Schweiz. Das Hölloch umfasst ein Höhlennetz von rund 207 Kilometern. Im August 2020 wurde bekannt, dass weitere 1,6 Kilometer dazugekommen sind. Zwischen dem tiefsten (551 m) und dem höchsten (1584 m) Punkt des weltbekannten Höhlensystems liegen damit neu 1033 Höhenmeter – ein neuer Weltrekord. Bildquelle: Trekking Team.
-
Bild 2 von 5. Anreise:. Das Hölloch liegt im Dorfteil Stalden bei der Ortschaft Muotathal am Pragelpass. Das Muotathal erreicht man von Schwyz aus oder über das Glarner Klöntal und den Pragelpass. Touren im Hölloch können nur in Begleitung gemacht werden. Anbieter ist die Agentur Trekking Outdoor Team. Bildquelle: SRF.
-
Bild 3 von 5. Outdoor-Reporter Marcel Hähni im Hölloch. Ausgerüstet mit Overall, Gummistiefeln, Helm und Stirnlampe kann man mit den Höhlen-Guides bis tief in die Höhle hinein. Immer wieder trifft man dort auch auf Wasser, das man durchwaten muss. Bildquelle: SRF.
-
Bild 4 von 5. Nichts für Klaustrophobiker. Wer im Hölloch unterwegs ist sollte keine Platzangst haben. Eine elektrische Lichtanlage gibt es nicht. Wer das Abenteuer liebt, liegt hier richtig. Im Hölloch werden aber auch Touren für Familien mit Kindern angeboten. Bildquelle: SRF.
-
Bild 5 von 5. Belohnung zum Schluss. Nach fast drei Stunden durch Schächte, Öffnungen und Gänge, bergauf und bergab, folgt die Überraschung. Ein Saal voller Kerzen, Tische und einer Musikanlage. Hier gibt es den verdienten Höhlenapéro. Bildquelle: SRF.
Der Eingang zur Höhle im Muotathal wurde 1875 von einem Bergbauer aus Stalden entdeckt. Im Jahr 1905 begann eine belgisch-schweizerische Gesellschaft mit dem touristischen Ausbau der Höhle. Seit die Forscher im August 2020 eine neue Verbindung bekannt geben konnten, liegen zwischen dem tiefsten (551 m) und dem höchsten (1584 m) Punkt des Höllochs 1033 Meter Höhenunterschied. Das ist ein Weltrekord.
Ein Highlight ist der Sandberg in der Höhle, den man hinuntergleiten kann, fast wie ein Surfer. Der anschliessende Aufstieg ist jedoch anstrengend.
Das Hölloch befahre ich mit Höhlenguide Marcel Rota. Er ist ein Urgestein und hat fast 30 Jahre «Hölloch-Erfahrung». Ich erhalte einen Overall, einen Helm mit Stirnlampe und Gummistiefel, die ich später unabsichtlich mit Wasser füllen werde. Eine abenteuerliche Tour beginnt, zuerst auf ausgebauten Wegen, die auch für Familien mit Kindern geeignet sind, plötzlich folgen aber schmale Seitengänge mit Kletterpartien an Seilen und Leitern.
Immer wenn ich denke, dass es jetzt nicht mehr weitergehe, ist die motivierende Stimme meines Guides zu hören. Dass wir hier Wege beschreiten, die er zum ersten Mal gehe, glaube ich ihm nicht. Es gehört wohl zu seinem Sprüche-Repertoire. Zum Abschluss nach drei Stunden befinden wir uns in einer wunderbaren Grotte. Ein Apéro wird serviert.