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Grösste Schweizer Psychiatrie Neues Alarmsystem verunsichert Personal in Zürcher Uniklinik

Immer wieder greifen Patienten in Psychiatrien Pflegende körperlich an. Umso wichtiger ist es, dass das Personal schnell und sicher einen Notruf versenden kann. Recherchen von SRF zeigen: In der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ist dies seit Sommer 2023 nicht zuverlässig möglich.

Seit einem knappen Jahr setzt die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) auf ein neues Alarmsystem. Mit diesem können Pflegende und Ärztinnen bei Bedrohungen – etwa aggressiven Patienten – einen Notruf via Handy absetzen. Kollegen werden stationsübergreifend alarmiert und eilen sofort zu Hilfe. Eigentlich.

Denn wie Recherchen von SRF Investigativ zeigen, sorgt das neue System bei den Mitarbeitenden für grosse Verunsicherung. Laut Aussagen von Pflegenden werden Notrufe unter anderem immer wieder zu spät abgesetzt – was sehr gefährlich sein könne.

Die Probleme mit dem neuen Alarmsystem

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Die rund zehn Pflegenden, mit denen SRF Investigativ sprach, zählen die folgenden Probleme mit dem neuen Alarmsystem auf:

  • Notrufe würden teilweise zu spät ausgelöst.
  • Notrufe würden teilweise gar nicht ausgelöst.
  • Notrufe kämen teilweise zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Smartphones der Empfänger an.
  • Während Wartungsfenstern – etwa für Updates – sei das Alarmsystem schon während mehrerer Stunden komplett ausgefallen.
  • Diese Wartungsfenster fänden meist in der Nacht statt. Genau dann also, wenn sowieso nur wenige Pflegende im Einsatz seien – und ein intaktes Alarmsystem umso wichtiger wäre.
  • In den Monaten nach der Einführung des neuen Systems habe es sehr viele Fehlalarme gegeben – teilweise bis zu 30 pro Tag. Das habe dazu geführt, dass Mitarbeitende auf Notrufe gar nicht mehr reagiert hätten.

Mittlerweile hat die PUK bei einem Teil der Mitarbeitenden – etwa dem Reinigungspersonal – den Notrufknopf deaktiviert, was die Anzahl Fehlalarme stark reduziert habe. Ausserdem hat sie Funkgeräte angeschafft, um die Wartungsfenster in der Nacht zu überbrücken. Die anderen Probleme bestehen laut den Mitarbeitenden, mit denen SRF Investigativ sprach, zum Teil bis heute – rund zehn Monate nach Einführung des neuen Alarmsystems.

«Wir fühlen uns bei der Arbeit nicht ausreichend geschützt», sagt eine Pflegefachfrau. Wie alle Mitarbeitenden, mit denen SRF Investigativ sprach, möchte sie anonym bleiben.

Bedrohungssituationen – weil System nicht funktionierte

Diese schildern mehrere Ereignisse, die durch ein zuverlässiges System aus ihrer Sicht hätten verhindert werden können. So habe etwa ein Patient in psychotischem Zustand eine Pflegende durch die Station verfolgt. Doch ihr Alarm sei nicht losgegangen. Nur dank eines Mitpatienten, der sich schützend vor sie stellte, habe Schlimmeres verhindert werden können. Das berichten mehrere Personen.

Bei einem zweiten Vorfall bedrohte ein Patient einen Pfleger nachts mit einem Messer. Der Notruf war auf einem Teil der Handys erst verzögert angekommen, die Situation eskalierte. Auch das erzählen mehrere Pflegende.

Es habe «tatsächlich gleich zu Beginn wenige Situationen» gegeben, in denen das System «nicht optimal funktioniert» habe, schreibt die PUK allgemein. Es sei «nachvollziehbar, dass dies viele Mitarbeitende verunsichert hat, was wir ausserordentlich bedauern». Seither seien der Klinik jedoch keine entsprechenden Ereignisse mehr bekannt.

Das sagen die Pflegenden

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SRF Investigativ hat mit rund zehn Pflegenden aus der PUK gesprochen. Über das im Sommer 2023 eingeführte Alarmsystem sagen sie etwa:

«Im Hinterkopf zu haben, dass das System möglicherweise nicht funktioniert, löst Unsicherheit aus. Eine gewisse ständige Anspannung beim Arbeiten. Und Wut – auf ein neues System, das nicht die gleiche Sicherheit bietet wie das alte, und auf die Klinikleitung, die das alte System deaktiviert, bevor das neue richtig funktioniert.»

«Die Vorfälle haben die Leute extrem verunsichert. Man kann in der Psychiatrie nie ausschliessen, dass etwas passiert. Es gibt dramatische Situationen. Umso sicherer muss man sein, dass einen das Alarmsystem schützt.»

«Diverse Versuche, sich bei der PUK über das System zu beschweren, sind klein gehalten worden. Die Reaktionen waren ernüchternd.»

«Bis heute funktioniert das System nicht einwandfrei. Notrufe kommen zum Teil immer noch verzögert bei den anderen Handys an.»

«In gewissen Fällen dauert es bis zu dreissig Sekunden bis zum Empfang eines Notrufs auf dem Handy. Das ist in einer Bedrohungssituation extrem lang.»

«Ich stelle mir nun oft die Fragen: ‹Drücke ich vielleicht schon früher? Wann drücke ich? In welchen Situationen drücke ich?›»

«Wir verlangen nur ein stabiles Alarmsystem. Mehr nicht.»

«Es kündigen extrem gute Leute – auch wegen des Alarmsystems, das nicht zuverlässig funktioniert. Das ist verheerend.»

«Wenn der Alarm in Akutsituationen nicht funktioniert, ist das Leben von Personal und Patienten bedroht.»

Bereits kurz nach Einführung des Systems – das alte musste altershalber ausgetauscht werden – machten Mitarbeitende die Klinikleitung auf die Probleme aufmerksam. In Gesprächen, E-Mails und mittels zahlreicher Meldungen im internen Meldetool.

Personal informiert Zürcher Ombudsmann

Doch sie fühlten sich in ihrer Angst nicht ernst genommen. Drei Monate nach Einführung sahen sie sich gezwungen, den Ombudsmann des Kantons Zürich einzuschalten. Den mehrseitigen Brief haben rund 40 Personen unterschrieben.

Ombudsmann Jürg Trachsel reagierte rasch. Er bat die Geschäftsleitung der PUK um eine Stellungnahme. Es sei ihm darzulegen, wie die Sicherheit der Patienten und des Personals gewährleistet werden könne. Zeitgleich informierte er den Spitalrat.

Auf Anfrage äussert sich der Ombudsmann nicht zur Beschwerde. Für die Pflegenden ist klar: Sein Intervenieren hat genützt. Der Alarmknopf ist bei einem Teil der Handys – etwa bei denen des Reinigungspersonals – inzwischen deaktiviert worden, was die Anzahl Fehlalarme stark reduziert habe. Auch hat die Leitung Funkgeräte genehmigt, um Wartungsfenster zu überbrücken. Ebendies hatten die Pflegenden bereits im Herbst vorgeschlagen.

«Intensiv Lösungen erarbeitet»

Die PUK bestätigt, dass das vor zehn Monaten eingeführte Alarmsystem «nicht gleich zu Beginn zufriedenstellend funktionierte». Ihre Kultur sei es, Anliegen der Mitarbeitenden ernst zu nehmen und Lösungen so schnell wie möglich zusammen zu erarbeiten. Man habe früh eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die «intensiv Lösungen erarbeitet und eingeführt» habe. Der Ombudsmann habe denn auch «keinen Einfluss auf unsere Interventionen» gehabt. Seit April funktioniere das System «einwandfrei». Das zeigten Rückmeldungen der betroffenen Mitarbeitenden.

Anders beurteilen das die Pflegenden, mit denen SRF Investigativ sprach. Bis heute funktioniere der Alarm nicht zuverlässig.

Rendez-vous, 18.6.2024, 12:30 Uhr; schm

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