Seit einem knappen Jahr setzt die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) auf ein neues Alarmsystem. Mit diesem können Pflegende und Ärztinnen bei Bedrohungen – etwa aggressiven Patienten – einen Notruf via Handy absetzen. Kollegen werden stationsübergreifend alarmiert und eilen sofort zu Hilfe. Eigentlich.
Denn wie Recherchen von SRF Investigativ zeigen, sorgt das neue System bei den Mitarbeitenden für grosse Verunsicherung. Laut Aussagen von Pflegenden werden Notrufe unter anderem immer wieder zu spät abgesetzt – was sehr gefährlich sein könne.
«Wir fühlen uns bei der Arbeit nicht ausreichend geschützt», sagt eine Pflegefachfrau. Wie alle Mitarbeitenden, mit denen SRF Investigativ sprach, möchte sie anonym bleiben.
Bedrohungssituationen – weil System nicht funktionierte
Diese schildern mehrere Ereignisse, die durch ein zuverlässiges System aus ihrer Sicht hätten verhindert werden können. So habe etwa ein Patient in psychotischem Zustand eine Pflegende durch die Station verfolgt. Doch ihr Alarm sei nicht losgegangen. Nur dank eines Mitpatienten, der sich schützend vor sie stellte, habe Schlimmeres verhindert werden können. Das berichten mehrere Personen.
Bei einem zweiten Vorfall bedrohte ein Patient einen Pfleger nachts mit einem Messer. Der Notruf war auf einem Teil der Handys erst verzögert angekommen, die Situation eskalierte. Auch das erzählen mehrere Pflegende.
Es habe «tatsächlich gleich zu Beginn wenige Situationen» gegeben, in denen das System «nicht optimal funktioniert» habe, schreibt die PUK allgemein. Es sei «nachvollziehbar, dass dies viele Mitarbeitende verunsichert hat, was wir ausserordentlich bedauern». Seither seien der Klinik jedoch keine entsprechenden Ereignisse mehr bekannt.
Bereits kurz nach Einführung des Systems – das alte musste altershalber ausgetauscht werden – machten Mitarbeitende die Klinikleitung auf die Probleme aufmerksam. In Gesprächen, E-Mails und mittels zahlreicher Meldungen im internen Meldetool.
Personal informiert Zürcher Ombudsmann
Doch sie fühlten sich in ihrer Angst nicht ernst genommen. Drei Monate nach Einführung sahen sie sich gezwungen, den Ombudsmann des Kantons Zürich einzuschalten. Den mehrseitigen Brief haben rund 40 Personen unterschrieben.
Ombudsmann Jürg Trachsel reagierte rasch. Er bat die Geschäftsleitung der PUK um eine Stellungnahme. Es sei ihm darzulegen, wie die Sicherheit der Patienten und des Personals gewährleistet werden könne. Zeitgleich informierte er den Spitalrat.
Auf Anfrage äussert sich der Ombudsmann nicht zur Beschwerde. Für die Pflegenden ist klar: Sein Intervenieren hat genützt. Der Alarmknopf ist bei einem Teil der Handys – etwa bei denen des Reinigungspersonals – inzwischen deaktiviert worden, was die Anzahl Fehlalarme stark reduziert habe. Auch hat die Leitung Funkgeräte genehmigt, um Wartungsfenster zu überbrücken. Ebendies hatten die Pflegenden bereits im Herbst vorgeschlagen.
«Intensiv Lösungen erarbeitet»
Die PUK bestätigt, dass das vor zehn Monaten eingeführte Alarmsystem «nicht gleich zu Beginn zufriedenstellend funktionierte». Ihre Kultur sei es, Anliegen der Mitarbeitenden ernst zu nehmen und Lösungen so schnell wie möglich zusammen zu erarbeiten. Man habe früh eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die «intensiv Lösungen erarbeitet und eingeführt» habe. Der Ombudsmann habe denn auch «keinen Einfluss auf unsere Interventionen» gehabt. Seit April funktioniere das System «einwandfrei». Das zeigten Rückmeldungen der betroffenen Mitarbeitenden.
Anders beurteilen das die Pflegenden, mit denen SRF Investigativ sprach. Bis heute funktioniere der Alarm nicht zuverlässig.