1.5 Millionen Franken: So viel Vermögen würde jeder steuerpflichtigen Nidwaldnerin, jedem Nidwaldner zustehen, wenn das Geld gleichmässig verteilt wäre. Das ist es aber nicht. Überhaupt nicht: Im Kanton Nidwalden ist die Schere zwischen Arm und Reich besonders gross.
Ausgeprägte Altersarmut
Ein kleiner Teil der Bevölkerung hat massive Vermögen angehäuft. Das reichste Prozent besitzt circa 70 Prozent des Geldes, wie die aktuellsten Daten der eidgenössischen Steuerverwaltung aus dem Jahr 2019 zeigen. Und die Altersarmut ist in Nidwalden so gross, wie nur in wenigen anderen Kantonen. Jede fünfte Person über 65 Jahren gilt als arm, ist im Altersmonitor von Pro Senectute zu lesen.
Die Gründe für diesen krassen Gegensatz seien in den Strukturen des Kantons zu finden, sagt Simone Gretler vom soziokulturellen Institut der Hochschule Luzern. «Im ländlich geprägten Nidwalden leben viele Menschen, die ihr Leben lang nicht viel verdient haben und daher mit einer sehr kleinen Altersrente auskommen müssen.»
See zieht Reiche an
Andererseits würden die tiefen Steuern und die gute Lage am Vierwaldstättersee viele Vermögende anziehen. Dies wiederum lasse die Lebenskosten wie beispielsweise die Mieten ansteigen, was den ärmeren Teil der Bevölkerung zusätzlich belaste, so Gretler.
Der zuständige Nidwaldner Regierungsrat Peter Truttmann sieht in der starken Konzentration der Vermögen kein Problem. Für den Gesundheits- und Sozialdirektor sind andere Zahlen wichtiger. «Ich schaue mir die Sozialhilfeempfänger an und unsere Sozialhilfequote, die ist tief.»
Wenn jemand Anspruch auf Sozialhilfe hat, wird er oder sie gut unterstützt.
Die hohe Altersarmut bereitet ihm hingegen Sorgen. «Dieses Thema nehmen wir sehr ernst.» Nun wolle man genau wissen, weshalb es den Pensionärinnen und Pensionären in anderen Bergkantonen wie Uri oder Obwalden besser gehe. «Die sind uns eigentlich ähnlich», sagt Truttmann. Er selbst könne zu möglichen Gründen noch nichts sagen.
Zu grosse Hürden?
Der Grüne Nidwaldner Landrat Thomas Wallimann ist hingegen überzeugt, dass es an der Politik liegt. Diese könne bewirken, dass Betroffene Hilfe bekämen, tue dies aber nicht. «Jedes Mal, wenn wir über Prämienverbilligungen debattieren, wird an die Eigenverantwortung appelliert.» Das sei der komplett falsche Ansatz, vielmehr brauche es mehr Aufklärungsarbeit.
Es gebe Leute, die Anspruch auf Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen hätten, diesen aber nicht wahrnehmen könnten. «Die Hürden sind zu hoch», so Wallimann, «die nötigen Unterlagen auf der Webseite nur schwer zu finden.» Den Leuten fehle die Zeit und das Wissen, sich damit auseinanderzusetzen.
Sozialvorsteher Truttmann widerspricht: «Wenn jemand Anspruch auf Sozialhilfe hat, wird er oder sie gut von den Gemeinden unterstützt. Immer mit dem Ziel natürlich, die Person wieder zu integrieren.»
Scham wegen eigener Armut
Ob Nidwalden genug tue, um die ärmeren Leute zu unterstützen, kann Simone Gretler von der Hochschule Luzern nicht sagen. Sie kenne die Situation zu wenig. «Aus anderen Untersuchungen weiss ich aber, dass es Gemeinden gibt, die sehr zurückhaltend sind mit den Informationen.»
Wiederum ein anderer Grund könne sein, dass die Leute sich wegen ihrer Armut schämen und deshalb nicht vorstellig werden. Dass der Abstand zu den vermögenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Kanton immer grösser wird, hilft da sicher nicht.