Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sitzen im Zentrum der Macht in Bundesbern. Dort haben sie die Geschäfte der nationalen Politik in der Hand. Ist der Einsitz im nationalen Parlament also quasi Voraussetzung für eine Parteipräsidentin oder einen Parteipräsidenten? «Nein», sagt Georg Lutz.
Der Lausanner Politologie-Professor sagt, dass im Parlament logischerweise die Elite der Partei sitze – die bekanntesten Personen, jene, die auch entsprechend vernetzt sind. «Deshalb wurden sie Parteipräsidentin oder Parteipräsident – nicht bloss deshalb, weil sie im Parlament sitzen.»
Wenn Lisa Mazzone, die als Genfer Ständerätin im Herbst abgewählt wurde, jetzt weiterhin vernetzt bleibe im Bundeshaus und in den Dossiers auf dem Laufenden gehalten werde, dann könne das durchaus funktionieren, sagt Politikwissenschaftler Lutz.
Mehr Zeit für Partei-Basisarbeit
Eine Parteipräsidentin ohne Amt im nationalen Parlament könnte sogar Vorteile bringen, weil sie Zeit habe. Zeit, um sich beispielsweise vermehrt um die wichtige Basisarbeit zu kümmern, also den Austausch mit Orts- und Kantonalsektionen.
Einen solchen Austausch hätten etwa Ueli Maurer oder Toni Brunner als SVP-Präsidenten sehr intensiv betrieben, so Lutz. «Das war für den Erfolg und den Aufbau der Partei sehr entscheidend.»
Lutz sieht einen weiteren möglichen Vorteil – nämlich eine geringere Gefahr, sich in Details des politischen Alltags zu verstricken und dadurch als Parlamentarier die grossen Linien etwas aus den Augen zu verlieren. Wer in diesem Alltagsgeschäft nicht präsent ist, könne das Profil der Partei allenfalls besser schärfen.
Schwierig, aber nicht unmöglich
Es stellt sich die Frage, welche Vorteile es bringt, wenn die Parteipräsidentin oder der Parteipräsident selber im nationalen Parlament sitzt. «Viele», findet der ehemalige FDP-Präsident Philipp Müller.
Wie sollen Sie – als ungewählte Person – Chefin der gewählten Parlamentarier sein?
Er hat die Freisinnigen von 2012 bis 2016 geleitet. Zuerst war er Nationalrat, dann Ständerat. Es sei auch eine Frage der Hierarchie, ist Müller überzeugt. «Wie sollen Sie – als ungewählte Person – Chefin der gewählten Parlamentarier sein? Ich sehe das nicht sehr positiv.»
Ein weiteres Problem sieht Müller in diesem Szenario im Zusammenhang mit dem Kommissionsgeheimnis. Nur wer im Parlament sitzt, hat Einblick in die Protokolle der Kommissionen und damit in die Details der politischen Geschäfte.
«Wenn Sie nicht an Kommissionssitzungen teilnehmen oder zumindest Einsicht in die Protokolle haben, können Sie keine Kompetenz aufbauen und sich Respekt verschaffen», so Müller. Das zu arrangieren sei theoretisch zwar möglich, aufgrund des Kommissionsgeheimnisses aber nicht ganz sauber.
Wagen die Grünen das Experiment?
Es zeigt sich: Die Grüne Partei muss eine Abwägung machen, ob sie eine Aussenstehende wie Lisa Mazzone als Parteipräsidentin will, oder ob das zu sehr zu einem Experiment würde.
Und noch etwas gilt es zu diskutieren: den Lohn. Die jährlich rund 28'000 Franken inklusive Spesen, welche der Parteipräsidentin laut der NZZ zustehen würden, würden nicht reichen. Das bestätigt auch Lisa Mazzone. Ihr würde das Einkommen aus einem National- oder Ständeratsmandat fehlen.