Es ist von «einem klaren Rückschritt» die Rede, von einer «zu aufwändigen Verkaufsabwicklung». Es sind scharfe Worte, mit denen die Gemeinde Zollikon ein neues Sparticket für den öffentlichen Verkehr kritisiert. Die Zürcher Gemeinde hat sich deshalb entschieden, die sogenannte «Spartageskarte Gemeinde» nicht einzuführen. Und sie ist damit nicht allein.
Rückschritt in Sachen Digitalisierung
Vorgestellt wurde dieses günstige ÖV-Ticket im vergangenen Februar durch die Organisation «Alliance Swiss Pass». Die «Spartageskarte Gemeinde» löst die beliebte SBB-Tageskarte ab, welche die Bevölkerung in ihrer Gemeinde lösen und mit der sie für etwa 40 Franken quer durch die Schweiz reisen konnte.
Die Nachfolgelösung ist ab nächstem Jahr erhältlich. Sie soll für die Fahrgäste attraktiver sein, weil sie auf einer beliebigen Gemeinde bezogen werden kann. Zudem ist die Stückzahl pro Person nicht mehr eingeschränkt.
Der Haken: Die «Spartageskarte Gemeinde» ist künftig nur noch an den Schaltern der Städte und Gemeinden erhältlich. Ein Online-Verkauf ist nicht mehr möglich. «Die Verkaufsabwicklung, die die SBB an die Gemeinden auslagert, ist viel zu aufwändig», sagt Markus Gossweiler, der Gemeindeschreiber von Zollikon. «Bezogen auf die Digitalisierung geht man damit, gegenüber dem heutigen Zustand, zwei oder drei Schritte rückwärts.»
Dieser Meinung schliessen sich nicht nur im Kanton Zürich zahlreiche Gemeinden an. So liest man etwa in der Stellungnahme der Gemeinde Breitenbach (SO): «Das ab 2024 neu einzuführende System erhöht die Komplexität und stellt eher einen Schritt weg von der Digitalisierung dar.»
Bezogen auf die Digitalisierung geht man damit, gegenüber dem heutigen Zustand, zwei oder drei Schritte rückwärts.
Ähnlich klingt es aus der ganzen Schweiz – aus Schönenbuch (BL), Allschwil (BL) oder Rickenbach (TG). Auch die Zürcher Gemeinde Horgen argumentiert, es sei nicht Sache der Gemeinden, Aufgaben der SBB zu übernehmen, während diese aus Effizienzgründen Schalterschliessungen vornehme.
Anmeldeprozess läuft ab Mitte Juni
Bei der Organisation «Alliance Swiss Pass» hält man trotz dieser Entwicklung an den Plänen fest. Die Gemeinden und Städte seien nicht verpflichtet, die Spartageskarte anzubieten. Bereits die heutige Tageskarte sei ein freiwilliger Service, den die Kommunen ihren Einwohnerinnen und Einwohnern anbieten können.
Auf die Kritik, wonach das neue Modell nicht vereinbar sei mit den digitalen Zielsetzungen der Gemeinden, entgegnet die Branchenorganisation für den öffentlichen Verkehr in ihrer Stellungnahme: «Die Spartageskarte Gemeinde richtet sich bewusst auch an nicht digitalaffine Kundinnen und Kunden. Dies wurde auch in der Konsultation der Gemeinden und Städte zur Nachfolgelösung deutlich.»
Die «Spartageskarte Gemeinde» sei in enger Zusammenarbeit mit dem Gemeinde- und Städteverband entwickelt worden, heisst es weiter. Deshalb werde sie nun auch in dieser Form umgesetzt. Ab Mitte Juni haben die Gemeinden Zeit, sich für die neue ÖV-Tageskarte anzumelden. Deshalb liegen der Organisation auch noch keine Zahlen vor, wie viele Gemeinden das neue Angebot in Anspruch nehmen und wie viele darauf verzichten.
Fest steht für «Alliance Swiss Pass» allerdings, dass das neue Modell selbstverständlich einer Prüfung unterzogen werde. «Nach der Einführung werden die Beteiligten zu gegebener Zeit ein Fazit ziehen und wenn nötig allfällige Anpassungen vornehmen.»