Tausende Festivalbegeisterte finden sich derzeit Woche für Woche ein zum Musikhören, Sonne geniessen oder ausgelassen Feiern. Doch plötzlich kann die Stimmung an solch einem Event kippen: Viele Menschen auf kleinem Raum, da kann es auch zu unangenehmen Situationen kommen. Zu Handgreiflichkeiten oder zu sexuellen Übergriffen.
Oft sind es Situationen, in denen zu viel konsumiert worden ist – Alkohol und allenfalls illegale Substanzen.
Das kann für die Festivals zum Imageproblem werden. Die Open-Air-Veranstalter setzen deshalb, neben dem herkömmlichen Sicherheitspersonal, vermehrt auch auf Care-Teams, die sich vor Ort um das Wohlbefinden der Besucherinnen und Besucher kümmern.
«Ungute Trudelschleife» beenden
Auf dem Berner Gurten etwa gehört der Sozialpädagoge Michael Walser dem Care-Team an. Es sorgt dafür, dass Besucherinnen und Besucher sich nicht unwohl fühlen. «Oft sind es Situationen, in denen zu viel konsumiert worden ist – Alkohol und allenfalls illegale Substanzen», sagt er. Das könne dazu führen, dass die Betroffenen in eine «ungute Trudelschleife» geraten.
Plötzliche Angstzustände oder andere Psychosen brauchen eine schnelle und gute Betreuung. Das Gurtenfestival hat deshalb für dieses Jahr das Care-Team nicht nur personell von zwei auf acht Personen pro Tag aufgestockt. Es wurde auch mit Sozialpädagogen, interkulturellen Vermittlerinnen und Psychologen professionalisiert.
Je breiter das Care-Team aufgestellt ist, desto einfacher sei es, auf all die unterschiedlichen Situationen reagieren zu können, die an so einem Festival vorfallen können, sagt Walser.
Es gehe darum, etwa bei rassistischen Übergriffen oder anderen Grenzüberschreitungen, etwa bei Flirtversuchen, die zu weit gehen, die Personen direkt anzusprechen und ihnen bewusst zu machen, was sie beim Gegenpart auslösen.
Bis jetzt sei es am Gurtenfestival eher selten vorgekommen, dass Frauen sexuelle Übergriffe gemeldet hätten, sagt Sozialpädagoge Walser. Das könnte sich mit dem ausgebauten Care-Team dieses Jahr allerdings ändern, glaubt er. «Ich gehe davon aus, dass wir in dem Bereich mehr zu tun haben werden.»
Grosse Festivals alle mit Care-Teams
Das Gurtenfestival geht in Sachen Care-Arbeit voran, ist aber nicht allein. Auch an den Openairs in St. Gallen oder Frauenfeld waren dieses Jahr bis zu jeweils sechs Personen pro Tag für das Wohlbefinden der Gäste unterwegs.
Wenn an einem Festival irgendein Vorfall stattfindet, wird das von den Medien sofort aufgegriffen.
In der Tat gebe es einen klaren Trend hin zu mehr Care-Arbeit vor allem bei den grösseren Festivals – national und international, sagt Christoph Bill. Der Präsident des Branchenverbands der Schweizer Festivalveranstalter und Chef des Heiteren-Festivals in Zofingen/AG sagt, ein Festival könne es sich fast nicht mehr leisten, in diesem Bereich nichts zu tun. Denn: «Wenn an einem Festival irgendein Vorfall stattfindet, wird das von den Medien sofort aufgegriffen.»
Doch gerade für kleinere Festivals ist es schwierig, Geld für Care-Teams locker zu machen, denn auch dieses Angebot muss finanziert werden. «Das könnte die Eintrittspreise weiter nach oben drücken – was sicher nicht im Sinne der Veranstaltenden ist», sagt Bill.
Hinzu kommt: Noch höhere Festivalpreise seien wohl auch nicht im Sinne der Besucherinnen und Besucher, meint Bill. Denn diese wollten am Schluss möglichst gute Musik zu möglichst zahlbaren Preisen erhalten – und das hoffentlich möglichst ohne Zwischenfälle.