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Übergriffe an Musik-Festivals: Bewusstsein wächst
Aus Rendez-vous vom 17.07.2024. Bild: KEYSTONE/Peter Klaunzer
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Gurten, St. Gallen & Co. Übergriffe an Musik-Festivals: Bewusstsein wächst

Anmache, Übergriff, böse Pöbelei: Wenn etwas Schlimmes passiert, können sich Festivalgäste an ausgebildetes Personal wenden. Doch dieses Angebot könnte auch auf die Ticketpreise durchschlagen.

Tausende Festivalbegeisterte finden sich derzeit Woche für Woche ein zum Musikhören, Sonne geniessen oder ausgelassen Feiern. Doch plötzlich kann die Stimmung an solch einem Event kippen: Viele Menschen auf kleinem Raum, da kann es auch zu unangenehmen Situationen kommen. Zu Handgreiflichkeiten oder zu sexuellen Übergriffen.

Oft sind es Situationen, in denen zu viel konsumiert worden ist – Alkohol und allenfalls illegale Substanzen.
Autor: Michael Walser Sozialpädagoge, arbeitet im Care-Team am Gurten-Festival

Das kann für die Festivals zum Imageproblem werden. Die Open-Air-Veranstalter setzen deshalb, neben dem herkömmlichen Sicherheitspersonal, vermehrt auch auf Care-Teams, die sich vor Ort um das Wohlbefinden der Besucherinnen und Besucher kümmern.

«Ungute Trudelschleife» beenden

Auf dem Berner Gurten etwa gehört der Sozialpädagoge Michael Walser dem Care-Team an. Es sorgt dafür, dass Besucherinnen und Besucher sich nicht unwohl fühlen. «Oft sind es Situationen, in denen zu viel konsumiert worden ist – Alkohol und allenfalls illegale Substanzen», sagt er. Das könne dazu führen, dass die Betroffenen in eine «ungute Trudelschleife» geraten.

Menschenmenge bei einem Konzert, einige fotografieren.
Legende: Die Stimmung ist gut, man kommt sich nahe – manchmal näher, als der einen oder dem anderen lieb ist. Dann kommt an Festivals heutzutage womöglich das Care-Team zum Einsatz – Spezialistinnen und Spezialisten, die darin Erfahrung haben, schwierige Situationen zu meistern. Keystone/Gian Ehrenzeller

Plötzliche Angstzustände oder andere Psychosen brauchen eine schnelle und gute Betreuung. Das Gurtenfestival hat deshalb für dieses Jahr das Care-Team nicht nur personell von zwei auf acht Personen pro Tag aufgestockt. Es wurde auch mit Sozialpädagogen, interkulturellen Vermittlerinnen und Psychologen professionalisiert.

Je breiter das Care-Team aufgestellt ist, desto einfacher sei es, auf all die unterschiedlichen Situationen reagieren zu können, die an so einem Festival vorfallen können, sagt Walser.

Es gehe darum, etwa bei rassistischen Übergriffen oder anderen Grenzüberschreitungen, etwa bei Flirtversuchen, die zu weit gehen, die Personen direkt anzusprechen und ihnen bewusst zu machen, was sie beim Gegenpart auslösen.

Verbreitete sexuelle Übergriffe an Festivals

Box aufklappen Box zuklappen

Eine grossangelegte Studie aus Grossbritannien kam 2018 zum Schluss, dass sexuelle Übergriffe an dortigen Festivals weit verbreitet sind. Fast die Hälfte der Festivalbesucherinnen unter 40 Jahren wurden an Open Airs demnach bereits mindestens einmal sexuell belästigt. Und auch eine – keineswegs repräsentative – SRF-Umfrage auf dem Gurtenfestival machte vor zwei Jahren deutlich, dass auch an Festivals in der Schweiz Frauen solchen Übergriffen ausgesetzt sind.

Bis jetzt sei es am Gurtenfestival eher selten vorgekommen, dass Frauen sexuelle Übergriffe gemeldet hätten, sagt Sozialpädagoge Walser. Das könnte sich mit dem ausgebauten Care-Team dieses Jahr allerdings ändern, glaubt er. «Ich gehe davon aus, dass wir in dem Bereich mehr zu tun haben werden.»

Grosse Festivals alle mit Care-Teams

Das Gurtenfestival geht in Sachen Care-Arbeit voran, ist aber nicht allein. Auch an den Openairs in St. Gallen oder Frauenfeld waren dieses Jahr bis zu jeweils sechs Personen pro Tag für das Wohlbefinden der Gäste unterwegs.

Wenn an einem Festival irgendein Vorfall stattfindet, wird das von den Medien sofort aufgegriffen.
Autor: Christoph Bill Präsident des Branchenverbands der Schweizer Festivalveranstalter

In der Tat gebe es einen klaren Trend hin zu mehr Care-Arbeit vor allem bei den grösseren Festivals – national und international, sagt Christoph Bill. Der Präsident des Branchenverbands der Schweizer Festivalveranstalter und Chef des Heiteren-Festivals in Zofingen/AG sagt, ein Festival könne es sich fast nicht mehr leisten, in diesem Bereich nichts zu tun. Denn: «Wenn an einem Festival irgendein Vorfall stattfindet, wird das von den Medien sofort aufgegriffen.»

Doch gerade für kleinere Festivals ist es schwierig, Geld für Care-Teams locker zu machen, denn auch dieses Angebot muss finanziert werden. «Das könnte die Eintrittspreise weiter nach oben drücken – was sicher nicht im Sinne der Veranstaltenden ist», sagt Bill.

Hinzu kommt: Noch höhere Festivalpreise seien wohl auch nicht im Sinne der Besucherinnen und Besucher, meint Bill. Denn diese wollten am Schluss möglichst gute Musik zu möglichst zahlbaren Preisen erhalten – und das hoffentlich möglichst ohne Zwischenfälle.

Rendez-vous, 17.7.2024, 12:30 Uhr

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