Liebe, Hass, Stress: An diesem Vormittag dreht sich in der Oberstufenklasse im Schulhaus Stapfenacker in Bümpliz alles um Gefühle. «Wenn ich mit jemandem über meine Sorgen und Stress spreche, ist das eine Erleichterung in meinem Herz, weil die Person mir helfen kann», sagt die 14-jährige Schülerin Elsa. Über Gefühle reden, das will gelernt sein. Und ist Teil der Mobbingprävention.
«Mobbing gehen wir im Schulunterricht sehr unterschiedlich an», sagt Klassenlehrer Lars Schlepper. Die Schülerinnen und Schüler sollen Gefühle erkennen und benennen können, und so mögliches Mobbing gar nicht erst aufkommen lassen.
Das Thema Mobbing rückt in den Berner Schulen in den Fokus. Das Spezielle am Anti-Mobbing-Projekt ist, wie die Schulen das Thema verschieden angehen. Letzten Herbst gab es im Stapfenacker eine grosse Umfrage, wie sich Lehrerinnen und Schüler an der Schule fühlen.
Ausbildung und Notfallplan
Zusätzlich besuchen die Lehrpersonen Weiterbildungen. Ein neuer Leitfaden und Merkblätter wurden erarbeitet sowie eine Art Notfallplan erstellt. «Das Thema Mobbing ist komplex», sagt Schulleiterin Aline Bechler. «Deshalb ist es wichtig, dass Lehrpersonen sich nicht allein mit dem Thema auseinandersetzen müssen.»
Gewalt in den Schulen ist immer mal wieder Thema – gerade im Westen der Stadt Bern. Im vergangenen Winter machte beispielsweise der Stapfenacker Schlagzeilen, weil ein Knabe mit einer Axt auf dem Schulhausplatz auftauchte.
Es wurde auch über Rassismusthemen diskutiert. Das habe mit dem Projekt nichts zu tun und sei auch nicht der Auslöser dafür, sagt die Schulleiterin Aline Bechler. In solchen Quartieren mit einigen Familien mit niedrigem Sozialstatus sei die Schule jedoch besonders gefordert. «Die Schülerinnen müssen lernen, für sich einzustehen und ihre Gefühle benennen zu können.»
Die Schule Stapfenacker ist die erste in der Stadt Bern, welche sich so systematisch ums Thema kümmert. Das Projekt soll nun an allen 21 Schulstandorten in Bern eingeführt werden. «Bei Mobbing ist der Leidensdruck hoch – für die Betroffenen, aber zum Teil auch für die ganze Schule», sagt Richard Jakob, Co-Leiter des Gesundheitsdiensts der Stadt Bern.
Mobbing könne in allen Schulen auftauchen. «Deshalb wollen wir, dass die Schulen besser gewappnet sind», so Jakob. Etwas, das auch die Jugendlichen fordern. Das Engagement der Berner Schulen geht zum Teil auf einen Vorstoss aus dem Jugendparlament zurück. «Prävention ist wichtig», sagt der Co-Leiter des Gesundheitsdiensts der Stadt Bern. «Schulen mit Präventionsmassnahmen haben erwiesenermassen weniger Mobbingprobleme als solche ohne Prävention.»
Schulsozialarbeiter Samuel Carbis arbeitet bei der Schule Stapfenacker. Er begrüsst das Engagement. Aber: «Es nimmt uns Fachpersonen nicht die Arbeit ab. Hinschauen ist und bleibt wichtig.»