Die Olympischen Spiele in Peking haben den Bundesrat vor ein Dilemma gestellt: Soll er an der Eröffnung am 4. Februar teilnehmen, oder nicht? Kritik würde auf jede Entscheidung folgen. Sollte ein Bundesrat nach Peking reisen, würde die Schweiz kritisiert, dass sie trotz Boykottaufruf wegen der Menschenrechtssituation teilnimmt. Würde keine Bundesrätin an die Spiele reisen, riskierte die Schweiz den wichtigen Handelspartner China zu verärgern.
Druck auf den Bundesrat nahm zu
Die Schweiz ist hin- und hergerissen zwischen wirtschaftlichen Interessen und der Verteidigung der Menschenrechte. Die Verletzung der Menschenrechte durch den chinesischen Staat beispielsweise an den muslimischen Uiguren sind der Grund für den Boykott, den die USA lanciert haben. Die Vereinigten Staaten hatten das Internationale Olympische Komitee deswegen aufgefordert, die Winterspiele zu verschieben. Staaten wie Kanada, Australien, Japan und Neuseeland schlossen sich dem Boykott daraufhin an.
So stieg auch der Druck auf die Schweiz, auf eine diplomatische Teilnahme zu verzichten. Auch im Inland gab es Forderungen von Menschenrechtsorganisationen und einzelnen Politikerinnen und Politikern nach einem Boykott. In der EU gibt es zwar keine einheitliche Haltung zu den Olympischen Spielen, zahlreiche Länder haben aber eine Absage nach Peking geschickt.
Grossbritannien beispielsweise hat sich dem politischen Boykott angeschlossen, auch Deutschland schickt keine hochrangigen Politiker nach Peking, will aber ausdrücklich nicht von einem diplomatischen Boykott sprechen. Frankreich hält nicht viel von einem Boykott und hat seine Teilnahme angekündigt. Daneben gibt es Länder wie Österreich oder Dänemark, die ähnlich argumentieren wie die Schweiz, und wegen der Pandemie nicht teilnehmen wollen.
Peking und Bern können das Gesicht wahren
Eine Absage aus politischen Gründen wäre für die Schweiz heikel gewesen, weil China der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz ist. Und das Verhältnis ist im Moment angespannt. Der Grund: die China-Strategie des Bundesrats. In diesem Papier kritisiert die Schweiz die Menschenrechtslage in China und erwähnt namentlich die Situation der Uiguren und der Tibeter, welche unter Druck geraten seien. Darauf hat China die Schweiz Anfang letzten Jahres scharf kritisiert.
Nach langem Zögern hat der Bundesrat nun einen Ausweg aus seinem Dilemma gefunden. Er kann die Absage mit der Pandemie begründen und argumentieren, dass eine Reise nach Peking nicht zielführend sei, wenn keine «substanziellen bilateralen Treffen» möglich seien. Auch Treffen mit Schweizer Athletinnen und Athleten wären laut dem Bundesrat nicht möglich gewesen. So dürfte die Pandemie einen willkommenen Vorwand für die Absage geliefert haben. Diese Möglichkeit hat sich der Bundesrat bereits vor zwei Wochen offen gelassen, als er angekündigt hat, grundsätzlich jemanden nach Peking schicken zu wollen. Aber eben nur, wenn es die aktuelle Situation zulasse.
In China ist es wichtig, dass bei einem Konflikt niemand sein Gesicht verliert. Die Pandemie erlaubt dem Bundesrat nun, seine diplomatische Teilnahme an Olympia in Peking abzusagen, ohne das politische China zu verärgern. Die Schweiz und China können beide ihr Gesicht wahren.