An der Schweizer Grenze zu Österreich: Täglich treffen Migranten mit dem Nachtzug in Buchs (SG) ein. Deren Zahl hat in den letzten Monaten stark zugenommen. Nach einer Kontrolle durch die Grenzwache stehen die meisten der Migranten wieder auf den Perrons.
Aufnahmen der «Rundschau» zeigen nun: Das SBB-Personal lenkt anschliessend die Migrantinnen und Migranten zum Schnellzug nach Zürich. Und im Bahnhof Buchs (SG) ist ein Wagen für sie reserviert.
Auch die internen Weisungen der SBB an das Personal liegen der «Rundschau» vor. Als einer der Gründe für den Sonderwagen wird aufgeführt: «Zudem ist ihnen teilweise eine gute Körperhygiene nicht möglich. All dies ist auch für die anderen Mitreisenden belastend.»
In Zürich wartet bereits die SBB Transportpolizei. Die Migranten werden versammelt und zum nächsten Zug begleitet. Wieder steht ein Sonderwagen bereit. In der Weisung der SBB steht dazu: «Migrantinnen und Migranten, welche weder eine Reservierung noch ein Ticket besitzen, sind auf die definierten Züge des IR37 zu lenken.» Dieser Zug fährt nach Basel, zur Grenze nach Frankreich und Deutschland. Dorthin wollen die meisten Migranten.
SBB: «Transportauftrag»
Die «Rundschau» zeigt die interne SBB-Weisung der Nationalrätin Greta Gysin (Grüne/TI). Sie ist Mitglied der Staatspolitischen Kommission. Gysin kritisiert: «Die SBB macht aktiv Migrationspolitik. Das ist nicht ihre Aufgabe.»
Auch Sarah Progin-Theuerkauf, Professorin für Migrationsrecht an der Universität Freiburg, sagt: «Die SBB dürfte das eigentlich so nicht machen, weil das aktive Fördern des Durchreisens eigentlich auch schon rechtlich relevant ist.»
Die SBB weist die Kritik zurück. «Wir machen keine Politik, unser Auftrag ist ein Transportauftrag», sagt Mediensprecherin Sabine Baumgartner. «Wenn viele Reisende das gleiche Ziel haben, stellen wir einen Sonderwagen zur Verfügung – oder Personal vor Ort, das die Menschen lenkt und unterstützt.»
Einzig bei der Formulierung zur Körperhygiene der Migranten gesteht die SBB ein: «Das war ein Fehler, wir haben diesen schon korrigiert.»
Tausende reisen ein
Die Zahl aufgegriffener illegaler Migranten an der Schweizer Ostgrenze hat sich laut Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) seit Anfang Jahr vervierfacht. Im September dürften es laut provisorischen Zahlen gegen 4000 Personen gewesen sein.
Eigentlich müsste die Schweiz diese Menschen zurückschicken. Denn das Dublin-Abkommen legt fest, dass der Staat, in den ein Flüchtling nachweislich zuerst einreiste, das Asylverfahren führen muss. Doch das versuchen die Behörden mittlerweile schon gar nicht mehr, denn bis solche Verfahren abgeschlossen sind, sind die meisten Migranten bereits weitergereist. Für Juristin Progin-Theuerkauf ist das «ein Rechtsverstoss, und das ist nicht mit dem Dublin-Abkommen vereinbar.»
«Eine Grenze überschritten»
Die Rolle der SBB ist politisch heikel. Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP/ZH), auch in der Staatspolitischen Kommission, nimmt die SBB in Schutz: «Sie übernimmt eine sehr undankbare Rolle, sie muss das ausbaden, was die Schweiz, die Politik in Europa, falsch macht. Es ist eine Folge der offenen Grenzen.»
Nationalrätin Greta Gysin (Grüne/TI) sieht das anders: «Es wurde eine Grenze überschritten: die Eskortierung der Menschen und die Separierung im Zug. Die SBB muss ab sofort darauf verzichten.»