Das gilt aktuell: Nach der aktuellen Gesetzgebung haben Witwen Anspruch auf eine lebenslange Rente, auch dann, wenn sie keine unterhaltsberechtigten Kinder haben. Witwer hingegen haben nur Anspruch auf eine Rente bis zur Volljährigkeit ihres jüngsten Kindes. Die Gesetzgebung beruht laut den Schweizer Behörden auf dem Gesellschaftsbild, dass Männer als Haupternährer gelten. Ihnen wird zugetraut, den Lebensunterhalt selber zu finanzieren. Frauen jedoch nicht, weshalb ihnen lebenslänglich eine Witwenrente zusteht.
Der Bundesrat will diese Ungleichbehandlung nun beseitigen: Dafür hat er eine Gesetzesänderung präsentiert und ins Parlament geschickt. Laut dieser sollen neu Eltern bis zum vollendeten 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Hinterlassenenrente erhalten. Der Anspruch ist unabhängig vom Zivilstand und dem Geschlecht des Elternteils. Eine Hinterlassenenrente über das vollendete 25. Altersjahr des jüngsten Kindes hinaus sollen Eltern erhalten, wenn sie ein erwachsenes Kind mit Behinderung betreuen und dafür ein Anspruch auf Betreuungsgutschriften der AHV besteht.
Verwitwete ohne Kinder: Hinterbliebene ohne unterhaltsberechtigte Kinder sollen nach der Verwitwung zur Unterstützung während zwei Jahren eine Übergangsrente erhalten. Das gilt für verheiratete Paare sowie für geschiedene Personen, die von der verstorbenen Person einen Unterhaltsbeitrag erhalten haben.
Diese Übergangsbestimmungen sollen gelten: Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung das 55. Altersjahr vollendet haben, sollen weiterhin einen Anspruch auf die laufende Rente haben. Ebenfalls beibehalten werden sollen die laufenden Renten für Witwen und Witwer, die bei Inkrafttreten das 50. Altersjahr vollendet haben und Ergänzungsleistungen zur AHV und IV beziehen. Die Renten für Personen unter 55 Jahren und ohne unterhaltsberechtigte Kinder sollen innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung aufgehoben werden.
Das sagen Witwen und Witwer dazu: Der Verein «Aurora», eine Informations- und Kontaktstelle für Verwitwete, begrüsst eine geschlechts- und zivilstandsunabhängige Hinterlassenenrente grundsätzlich. «Wir fordern aber nachdrücklich, auf die Streichung von laufenden Renten von hinterlassenen Elternteilen zu verzichten», teilt der Verein mit. Witwen hätten ihren finanziellen Lebensentwurf basierend auf der lebenslangen Witwenrente gemacht. Durch deren Wegfall würden Vorsorgelücken entstehen, die nicht aufgeholt werden könnten. «Das Streichen einer gesetzlich geregelten und persönlich zugesprochenen Versicherungsleistung wäre zudem eine gravierende Verletzung der Rechtssicherheit in unserem Land», argumentiert der Verein.
Auslöser für die neue Regelung ist ein Gerichtsurteil: Als die jüngste Tochter von Witwer Max Beeler volljährig wurde, strich ihm die Ausgleichskasse von Appenzell Ausserrhoden die Witwerrente. Wäre er eine Frau, wären die Zahlungen weitergelaufen. Beeler klagte gegen diese Ungleichbehandlung. Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gab ihm recht. Das Urteil lautet: Die Schweiz diskriminiert Männer. Daraufhin hat die Schweiz eine Übergangsregelung eingerichtet. Bis das System einer Reform unterzogen wird, wird Witwern mit Kindern eine lebenslange Rente gewährt.