Darum geht es: In den Gebirgskantonen läuft aktuell die Hochjagd, was bedeutet, dass auch auf den Tellern wieder vermehrt Rehschnitzel und Hirschragout liegen. Doch wer tatsächlich einheimisches Fleisch essen will, muss Glück haben: Denn nur ein Drittel des Wildfleisches stammen aus dem Inland. Bevor das Wild jedoch auf den Tellern der Gäste landet, gibt es viele Zwischenschritte.
Das meiste Wildfleisch wird unter den Jägern aufgeteilt oder von ihnen selbst konsumiert.
Die Kontrolle: In den frühen Morgenstunden beginnt die Arbeit für die Tierärztin Ladina Giger. Auf dem Tisch liegt ein erlegter Hirsch. Die Tierärztin untersucht, ob das Fleisch geniessbar ist. «Zuerst schaue ich, wo der Schuss das Wild getroffen hat, und dann prüfe ich das Innere auf mögliche Kontaminationen», erklärt sie.
Die Untersuchung ist in Graubünden Routine, besonders bei sogenannten «B-Tieren» – Wild, das nicht sauber geschossen wurde oder nach dem Abschuss schwer zu finden war. Diese Tiere müssen speziell kontrolliert werden, um die Qualität des Fleisches zu gewährleisten. «Alles, was kontaminiert ist, schneiden wir weg. Der Rest ist von guter Qualität», erklärt Giger.
Beim Metzger: Venànzi Schmed, Metzger in Brigels GR, setzt bewusst auf Wildfleisch von einheimischen Jägern. Denn er befürchtet, dass die Bündner Jagdkultur an Bedeutung verliert, wenn immer mehr auf importiertes Wildfleisch zurückgegriffen wird.
Die Verarbeitung von Wild sei zwar lukrativer, aber auch viel aufwändiger als die von sauberen Tieren aus dem Schlachthof. «Das gehört aber zur Jagdkultur, daran können wir nichts ändern», sagt er. In seiner Metzgerei werden alle Wildtiere, ob sauber geschossen oder sogenannte B-Tiere, gründlich kontrolliert, bevor sie in den Verkauf gelangen.
Nur für seine Wildwürste greift er auf Fleischimporte aus Deutschland zurück. «Die Nachfrage nach Wildfleisch steigt stetig», sagt er weiter.
Beim Händler: Jäger und Wildfleisch-Händler Mirco Nobili bestätigt, dass die Nachfrage nach Wildfleisch in Graubünden das Angebot übersteigt. «Das meiste Wildfleisch wird unter den Jägern aufgeteilt oder von ihnen konsumiert. Die Gastronomie hat oft kaum eine Chance, Wild zu erwerben», erklärt Nobili.
Die Menge an Wild, die tatsächlich in den Handel gelangt, sei gering. Er habe zwar keine genauen Zahlen, schätze aber, «dass es sich um einen einstelligen Prozentsatz der Gesamtmenge handelt.» Obwohl die meisten Jäger ihr erlegtes Wild selbst verzehren oder es unter sich aufteilen, landet ein kleiner Teil auch in den Küchen der Restaurants.
Auf dem Teller: In einem Restaurant am Fusse des Calanda ziert derzeit die Wildkarte die Tische. Der Hirsch kommt allerdings noch aus Österreich. Denn das Fleisch muss drei Wochen eingelegt werden, die Hochjagd findet aber erst Anfang September statt, erklärt der Wirt Peter Good.
Solange es ein schönes Stück Fleisch ist, spielt es für mich keine Rolle, woher es kommt.
Der gelernte Metzger verarbeitet das heimische Wild in der Regel selbst, sobald es verfügbar ist. «Erst kürzlich hat mir ein Jäger erzählt, dass er in Haldenstein einen jungen Hirsch geschossen hat. Das Fleisch wird demnächst auf der Speisekarte stehen», sagt er.
Die Gäste des Restaurants reagieren unterschiedlich auf die Herkunft des Fleisches. Während sich ein Gast darüber beschwert, dass das Wild aus dem Ausland kommt: «Hätte ich gewusst, dass es aus Österreich kommt, wäre ich gar nicht erst gekommen», ist eine junge Frau deutlich entspannter: «Solange es ein schönes Stück Fleisch ist, spielt es für mich keine Rolle, woher es kommt.»