Zwei prächtige Hirschstiere spazierten Karl Balmer am ersten Jagdtag vor die Flinte. Doch der Berner Oberländer Jäger durfte nicht abdrücken. «Ich musste es zähneknirschend akzeptieren», so Balmer. Auch wenn er nicht der Trophäen wegen auf die Jagd geht, also mit dem Ziel, ein männliches Tier mit grossem Geweih zu schiessen.
Die neue Jagdregelung im Kanton Bern besagt, dass in der ersten Jagdwoche nur weibliche Rothirsche und Kühe gejagt werden dürfen. Das Ziel dahinter: den Hirschbestand zu regulieren. Das ist über die Hirschkühe leichter möglich. Weniger Weibchen bedeuten automatisch auch weniger Jungtiere.
Hirsche sorgen für Schäden im Wald
Für Jäger, die gerne ein stattliches Geweih an die Wand hängen, ist diese Schweizer Premiere in Bern unerfreulich. Weibchen und Jungtiere haben kein Geweih. Die neue Regelung habe für rote Köpfe gesorgt, erzählen Jägervereinspräsidenten. In der Jagdgruppe von Balmer aus Habkern hingegen herrscht Verständnis.
Denn Hirsche können massive Schäden anrichten, erzählt Jägerkollege Beat Zurbuchen, der als Förster arbeitet. «Die Hirsche fressen die Triebe junger Bäume», so Zurbuchen, «im Gebirge dauert es lange, bis ein neuer Baum wächst.» Aufgrund der Verbissschäden sei es notwendig geworden, den Hirschbestand zu regulieren. Die Zahl der Hirsche in der Schweiz hat sich innert 20 Jahren etwa verdoppelt.
Trophäenjagd als Männersache
Darum müssen nun eben primär Weibchen geschossen werden. Berns Jagdinspektorin Nicole Imesch erklärt: «Eine Hirschkuh hat ein Jungtier pro Jahr, ein Stier hingegen kann rund 20 Hirschkühe decken.» Tötet man also ein Männchen, dann springt einfach ein anderes in die Bresche. Die Fortpflanzung kann fast nur über die Weibchen gesteuert werden.
Darum sind in diesem Jahr zwei Drittel der zum Abschuss freigegebenen Tiere im Kanton Bern weiblich. Und in der ersten Jagdwoche durften gar ausschliesslich Kühe und Jungtiere geschossen werden. Das führte dazu, dass gewisse Jäger gar zu Hause blieben, so die Jagdinspektorin. Nicole Imesch lacht: «Der Trophäenkult ist eher eine männliche Angelegenheit.»
Jäger Balmer hat in der zweiten Jagdwoche dann doch noch zwei Hirschstiere geschossen. Für die Geweihe hat es in der Stube aber kaum Platz: «Meine Frau sieht es nicht gern, wenn ich zu viel aufhänge.» Darum hängen Balmers Geweihe meist hinter dem Haus.
Ob Berns neues Jagdregime Erfolg zeitigen wird, ist noch offen. Es braucht Geduld. Wie die Jagd in der Septemberkälte oberhalb von Habkern.