- Der Bundesrat möchte Steuerprivilegien für die Reedereien in der Schweiz einführen.
- Daumen hoch, sagte die Mehrheit des Nationalrats. Für sie ist die Vorlage ein Instrument, um die Schweiz für Schifffahrtsunternehmen attraktiver zu machen.
- Für SP und Grüne ist klar: Sie werden dafür sorgen, dass der Entscheid darüber an der Urne fällt.
So etwas gehe gar nicht. Das war die einhellige Meinung von SP, Grünen und Grünliberalen, als der Nationalrat über die neuen Steuerprivilegien für Reedereien mit Sitz in der Schweiz debattierte. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth stellte fest: «Mit dieser Vorlage schiessen Sie den Vogel ab.»
Den Unmut erregt hat der Bundesrat mit seinem Plan, international tätige Schifffahrtsunternehmen künftig nicht mehr nach dem tatsächlich erzielten Gewinn oder Verlust zu besteuern. Vielmehr sollen sich Reedereien künftig, wenn sie dies wünschen, pauschal besteuern lassen dürfen, wobei dies einzig auf die Ladekapazität ihrer Schiffe abgestellt werden würde.
Bürgerliche Unterstützung
Potenziell rund 60 Schweizer Schifffahrtsunternehmen mit etwa 900 Seeschiffen könnten davon profitieren. Die neue «Tonnagesteuer» sei keine Schweizer Erfindung, betonte Mitte-Nationalrat Leo Müller, der für die zuständige Kommission sprach: «Sie ist international breit akzeptiert und insbesondere in der EU weit verbreitet. 21 EU-Mitgliedstaaten haben eine solche Regelung eingeführt.»
Die Tonnagesteuer sei also ein Hilfsmittel, damit sich Schweizer Reedereien gegen die Konkurrenz aus der EU und Asien behaupten könnten, fügte Thomas Burgherr von der SVP an: «Es geht bei dieser Vorlage nur darum, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz sicherzustellen.»
Linke Empörung
Dazu werde aber ein Steuervehikel eingesetzt, das schlicht verfassungswidrig sei, konterte Balthasar Glättli, Präsident der Grünen. Indem man eine bestimmte Kategorie von Unternehmen anders besteuere als die Mehrheit, werde das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt. «Kein normaler Coiffeur kann wählen, ob er im einen Salon nach der Grösse der Spiegel besteuert wird und beim anderen Salon nach dem Gewinn.»
Zudem habe man keine Ahnung, was die Tonnagesteuer der Bundeskasse bringen würde, weil schlicht die nötigen Berechnungen fehlen würden, monierte SP-Co-Präsident Wermuth: «Veräppeln können wir uns selber. Auf dieser Grundlage können wir einfach nicht Politik machen, ins Blaue hinaus, ohne jede Datengrundlage. Was glauben Sie, wie sich die Menschen in diesem Land vorkommen?»
Kathrin Bertschy von den Grünliberalen befürchtete denn auch, dass die neue Steuer für die Bundeskasse ein Verlustgeschäft werde. Denn nur wenn massiv mehr Schiffe unter Schweizer Flagge fahren würden, könnten die Steuerausfälle ausgeglichen werden. «Um das Wegbrechen der Steuereinnahmen aufzufangen, bräuchte es ungefähr eine Verdoppelung der Reederei-Tätigkeit in der Schweiz.»
Dies wiederum wies FDP-Nationalrat Beat Walti vehement zurück. Die Tonnagesteuer wäre ja freiwillig und längst nicht alle Reedereien würden davon Gebrauch machen: «Was die Schweiz angeht, sind heute mutmasslich wenige Unternehmen und damit auch wenig Steuersubstrat betroffen. Das übliche Lamento über Steuerausfälle ist komplett deplatziert.»
Der Nationalrat hat die Vorlage mit der neuen Tonnagesteuer gutgeheissen. Sie geht nun an den Ständerat. Sollte dieser die Vorlage ebenfalls akzeptieren, will die SP das Referendum dagegen ergreifen, wie sie in einer Medienmitteilung androht.