Dietisberg im Kanton Baselland: Fünf Schweine sollen hier dran glauben. Sie haben das in den Tagen und Wochen vor dem Schlachttermin geübt. Immer wieder hat eine Mitarbeiterin des Hofes sie mit einer Schüssel Futter vom Gehege auf die sogenannte Fangplattform geführt. Nichts soll die Tiere am letzten Tag aus der Ruhe bringen.
Anders sind heute nur die Elektrozange und das Bolzenschussgerät, die bereitliegen. Sie gehören der Firma von Mischa Hofer, der die Hof-Tötungen anbietet.
Es ist ein kleines, aber wachsendes Nischengeschäft. Denn die letzten Meter im Leben eines Nutztiers sind oft auch die stressigsten. Der Transport in den Schlachthof, die ungewohnte Umgebung, andere Tiere: All das führe zu Stress und schade dem Tierwohl und letztlich auch der Fleischqualität, sagen Kritikerinnen und Kritiker.
Studien des FibL haben bewiesen, dass die Stressbelastung bei Tieren, die in den Schlachtbetrieb transportiert werden, bis zu 20-mal höher sind, als bei solchen, die auf dem Hof getötet werden.
Seit ein paar Jahren nimmt deshalb die Hof-Tötung in der Schweiz zu. Die Tiere werden dabei im gewohnten Umfeld auf dem Bauernhof getötet und erst anschliessend in den Schlachthof transportiert.
Dass das Tier in seiner gewohnten Umgebung getötet werde, reduzierten den Stress messbar, sagt Milena Burri vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FibL: «Studien des FibL haben bewiesen, dass die Stressbelastung bei Tieren, die in den Schlachtbetrieb transportiert werden, bis zu 20 Mal höher sind, als bei solchen, die auf dem Hof getötet werden.»
Stressfreie Tötung setzt Menschen unter Druck
Das erste Schwein vom Dietisberg macht seine letzten Schritte auf die Fangplattform. Dann wird es doppelt, mit Strom und mit einem Bolzenschuss, betäubt. Es sackt zusammen, ein Mitarbeiter von Hofer setzt sofort den Entblutungsstich – das Schwein stirbt.
«Ab jetzt tickt die Uhr», sagt Mischa Hofer. 45 Minuten hat Hofer nun Zeit: Dann muss das Tier im Schlachthof angekommen und ausgeweidet sein. So sehen es die Hygiene-Vorschriften vor. «Da muss wirklich zügig gearbeitet werden.» Die stressfreie Tötung der Tiere wird zum Stressfaktor für die Menschen.
In der EU sind 120 Minuten erlaubt, und es gibt auch Studien, die zeigen, dass eine Verlängerung dieser Frist keinen Einfluss auf die Fleischhygiene hat.
Mischa Hofers Mitarbeiter hängen das fleischgewordene Lebewesen in den bereitstehenden Spezialanhänger. Nach den ersten drei Tieren machen sie sich auf den Weg ins nahe Läufelfingen. Dort wartet der Metzger.
Das Fleisch soll nicht von Bakterien befallen werden. Die 45-Minuten-Frist sei aber zufällig gewählt, heisst es beim FibL. Jüngste Forschungsergebnisse deuteten darauf hin, dass eine Verlängerung hygienisch kein Problem sei: «In der EU sind 120 Minuten erlaubt, und es gibt auch Studien, die zeigen, dass eine Verlängerung dieser Frist keinen Einfluss auf die Fleischhygiene hat», sagt Milena Burri.
Bund prüft Lockerung der Hygiene-Vorschriften
Auch der Bund prüft deshalb, den toten Tieren auf ihrem letzten Weg mehr Zeit zu geben. 90 Minuten sollen es in der Schweiz künftig sein. Eine entsprechende Anpassung befindet sich derzeit in der Vernehmlassung.
Die Befürworterinnen der Hof-Tötung hoffen, dass so künftig auch Betriebe, die die Metzgerei heute nicht rechtzeitig erreichen, eine Bewilligung für die Hof-Tötung erhalten können.
Die Schweine vom Dietisberg sind derweil in Läufelfingen angekommen. Zuerst werden die Schlachtkörper in einer grossen Kiste gebrüht. Dann entfernt der Metzger mit einem Messer und Brenner die Borsten, hängt die Tiere an den Hinterläufen auf und schneidet sie auf.
Auf der Uhr stehen jetzt ziemlich genau 45 Minuten. Das Schwein vom Dietisberg hat seine letzte Deadline gerade so geschafft.