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Hohe Hürden, kaum Gesuche Humanitäres Visum in der Kritik

Das humanitäre Visum soll Verfolgten den Zugang zur sicheren Schweiz ermöglichen. Jetzt zeigen aktuelle Zahlen: Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und den Protesten in Iran ist es fast bedeutungslos.

Was hat das humanitäre Visum bislang gebracht? In Zahlen: 695 Menschen, die unmittelbar bedroht waren, konnten in den letzten fünf Jahren in die Schweiz reisen. Sie konnten hierzulande einen Asylantrag stellen, der dann nach dem ordentlichen Verfahren geprüft wurde.

Das humanitäre Visum war als Ersatz für das Botschaftsasyl gedacht, das 2012 aus politischen Überlegungen abgeschafft wurde. Es soll Betroffenen bei Bedarf die sichere Reise in die Schweiz und damit Zugang zu Schutz ermöglichen. Flüchtlingsorganisationen kritisieren jedoch, dass die Hürden für die Betroffenen zu hoch und zuletzt auch weiter erhöht worden seien. Damit werde zu vielen Menschen der Schutz vor Verfolgung verwehrt.

Menschen mit Gepäck vor einem Einsatzwagen
Legende: Für Betroffene sind die Hürden oft zu hoch, um ein humanitäres Visum zu beantragen. Keystone/Bernd Thissen

Müssten die Hürden gesenkt werden, um in Krisen gefährdeten Personengruppen zu helfen? Das verlangen Organisationen wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe, das Schweizerische Rote Kreuz und Parteien wie die SP und die Grünen. Heute müssen Antragstellende für ein humanitäres Visum nachweisen, dass sie «unmittelbar, ernsthaft und konkret» bedroht sind. Es reiche nicht, in Russland Angst vor einem Kriegseinsatz zu haben, erklärt das Staatssekretariat für Migration SEM.

Nötig sei etwa ein konkretes Aufgebot der russischen Armee. Die Flüchtlingshilfe kritisiert, oft sei es zu spät für eine Flucht, wenn eine entsprechende Bedrohung nachgewiesen werden könne. Ausserdem gibt es weitere Bedingungen: Wer ein humanitäres Visum will, muss etwa einen engen Bezug zur Schweiz nachweisen können. Aktuelle Zahlen des Bundes zeigen: Aus Iran gingen nach Beginn der blutigen Frauenrechtsproteste gar keine Gesuche ein, aus Russland waren es seit Beginn des Ukraine-Kriegs drei.

Würde die Schweiz denn mit Anträgen überschwemmt, wenn sie die Hürden senken würde? Das befürchten die Gegnerinnen und Gegner einer Lockerung. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass die Zahlen steigen würden – wie stark ist aber unklar. Das Botschaftsasyl wurde auch abgeschafft, um die Schweiz als Fluchtziel weniger attraktiv zu machen. Das war 2012 ein politisches Ziel. Dazu kommt: Tiefere Hürden wären angesichts der aktuell übervollen Bundesasylzentren sicher eine zusätzliche Belastung für das hiesige Asylsystem.

Jene, die einen einfacheren Zugang zum humanitären Visum verlangen, kritisieren hingegen, dass die Schweiz mit der restriktiven Bewilligungspraxis ihrer humanitären Tradition nicht nachkomme. Flüchtende würden so gezwungen, trotz Bedrohung auszuharren, oder – wenn sie die Möglichkeit dazu haben – auf illegale und gefährliche Fluchtrouten auszuweichen.

Rendez-vous, 17.11.2022, 12:30 Uhr

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