24’511 Asylgesuche wurden im letzten Jahr in der Schweiz gestellt. Das ist ein Plus von 64.2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gegen Ende Jahr nahm das Wachstum zudem noch einmal an Fahrt auf. So gingen allein im letzten November über 3500 Asylgesuche ein.
Kann das Asylsystem diese Mengen handhaben? Und werden die Asylzahlen dauerhaft so hoch bleiben?
Noch weit entfernt von den Spitzenwerten 2015
Nachdem die Anzahl Asylgesuche jahrelang gesunken war, steigt sie seit 2021 wieder. Die neuesten Werte sind die höchsten seit 2016.
Daniel Bach vom Staatssekretariat für Migration (SEM) gibt gegenüber SRF drei Gründe für den Anstieg an: Einerseits habe das Ende der Corona-Massnahmen dafür gesorgt, dass sich die Menschen wieder freier bewegen könnten. Andererseits wirkten die wirtschaftlichen Effekte von Lockdowns und Schliessungen in den Herkunftsländern nach. Und schliesslich seien auch die Bedingungen in Transitländern wie der Türkei oder Griechenland von Bedeutung. Verschlechtern sich diese, sehen sich die Menschen gezwungen, weiterzuziehen.
Mit Abstand am meisten Asylsuchende kamen im vergangenen Jahr aus Afghanistan (7054 Primärgesuche) in der Schweiz an. Dahinter folgt die Türkei. Beide Staaten rangieren seit längerem auf den vorderen Rängen der Asylstatistik.
Tendenziell weniger Gesuche als in der Vergangenheit kommen derzeit aus Eritrea (426 Primärgesuche), das jahrelang eines der wichtigsten Herkunftsländer war. Insgesamt ist die Schweiz von einem Spitzenplatz bei den Asylgesuchen, den es früher etwa mit Österreich und Schweden zusammen belegte, im europäischen Vergleich eher ins hintere Mittelfeld gerückt.
Kantonale Infrastruktur im Stresstest
Die Hoheit im Asylwesen liegt beim Bund, vieles in der Umsetzung fällt aber auf die Kantone. Und dort knarzt es derzeit im Gebälk. Luzern und Aargau haben bereits den Notstand ausgerufen. «Die Situation ist derzeit sehr angespannt», bestätigt Jürg Eberle, Leiter des Migrationsamtes St. Gallen und Präsident der Vereinigung kantonaler Migrationsbehörden denn auch.
Die Lage mit den Flüchtlingen aus der Ukraine hatte sich Ende des vergangenen Jahres eingependelt, als es zum sprunghaften Anstieg bei den Asylgesuchen kam. Einerseits fehle es vielerorts an Unterkünften – viele Kantone gaben in den Jahren, als die Asylzahlen relativ tief waren, Standorte auf. Andererseits muss nun auch vermehrt wieder Personal bereitgestellt werden – eine Herausforderung in Zeiten des Fachkräftemangels, so Eberle.
Die ständigen Wellenbewegungen stellen das Asylsystem vor Herausforderungen. Vor einem Jahr war man beim Bund noch davon ausgegangen, dass bloss 16'500 Gesuche eingehen würden. Die tatsächliche Zahl lag um mehr als die Hälfte höher. Für das angelaufene Jahre rechnen die Prognostikerinnen und Prognostiker mit rund 27'000 Asylgesuchen – «plus, minus 3000», wie es beim SEM heisst.