Blumenkohl und Broccoli sind an der Reihe: Bio-Landwirt Alois Kohler bereitet auf seinem Hof zwischen den Aargauer Dörfern Künten und Sulz alles vor für eine homöopathische Behandlung des Gemüses. Aus einem Glasfläschchen leert er 20 Kügelchen in eine grosse, mit Wasser gefüllte PET-Flasche.
Nach einigen Minuten haben sich die Kügelchen mit dem Urstoff Sulfur (Schwefel) aufgelöst. Nun schüttelt Kohler die Wasserflasche 20-mal stark. Potenzieren sagt er dem. Man könne diesen Schritt schon als esoterisch bezeichnen, schmunzelt der 71-Jährige: «Das ist meine Eigenkreation. Ich habe das Gefühl, es wirkt so intensiver.»
Im Pflanzenbau kaum verbreitet
In der Humanmedizin hat sich die Homöopathie etabliert. Seit über zehn Jahre wird sie von den Krankenkassen als alternative Behandlungsmethode vergütet. In der Landwirtschaft wird sie schon länger bei Tieren eingesetzt – im Pflanzenbau allerdings ist Homöopathie nicht weit verbreitet. Bauer Alois Kohler im Aargauer Reusstal setzt aber bereits seit längerer Zeit auf diese Methode.
Auch Kohlers jüngster Sohn, der den Bio-Hof übernommen hat, ist bei der Homöopathie für Tiere und Pflanzen geblieben. Produziert wird auf dem Aargauer Familienbetrieb neben Milch, Fleisch und Eiern auch Gemüse, hauptsächlich für den Grosshandel. Auf dem Hof leben einige tausend Legehennen und ein paar Dutzend Mutterkühe und Kälber. Seit dem Einsatz der Globuli brauche es für die Tiere kaum mehr Antibiotika, sagt Alois Kohler.
«Theoretisch kann man dieses Wasser trinken»
Laut dem Prinzip der Homöopathie stimulieren stark verdünnte natürliche Stoffe in einem Organismus eine Wirkung. Lebewesen und Pflanzen heilen sich nach dieser Stimulation aber selber. Im Fall von Bauer Kohler wird die Sulfur-Mischung in einen 800-Liter-Tank der Spritze am Traktor gefüllt und nochmals verdünnt. Das Wasser – mit den kaum oder gar nicht mehr messbaren Spuren der Globuli – wird danach über das Gemüse auf dem Feld gespritzt.
Alois Kohler versteht die Skepsis vieler Leute. «Theoretisch kann man dieses Wasser trinken. Die chemisch-synthetischen Mittel sind anders, und darum kann man kaum glauben, dass die Homöopathie eine Wirkung hat.» Er begreife alle Skeptiker, meint der Landwirt, verweist aber auf den Nutzen.
Eine Frage der eigenen Überzeugung
Wissenschaftlich beweisen kann man die Wirkung der Homöopathie nicht – weder beim Menschen noch bei Pflanzen. Deshalb sieht man die Methode auch beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) kritisch. Man sei gegenüber neuen Ansätzen zwar offen, aktuell gebe es aber zu wenig belastbare Hinweise für den Nutzen von Homöopathie im Pflanzenbau, heisst es beim FiBL in Frick auf Anfrage von SRF News.
Es sei eine Frage der eigenen Überzeugung, meint denn auch Bio-Bauer Kohler aus Künten. Und er spricht aus Erfahrung: «Aktuell ist die Weisse Fliege bei Blumenkohl und Broccoli ein grosses Thema. Sulfur ist ein Duftstoff, den diese Fliegen meiden. Letzte Woche haben wir bereits gespritzt. Am Nachmittag war ich auf dem Feld: Die Weisse Fliege kam – aber sie setzte sich nicht auf dem Gemüse ab.»
Natürlich müsse der Landwirtschaftsbetrieb Ertrag abwerfen, meint Bio-Bauer Kohler. Aktuell werden darum auf dem Familienbetrieb auch andere biologische Spritzmittel verwendet. Längerfristig soll aber nur noch auf Homöopathie gesetzt werden. Man wolle einen Schritt weiter gehen als «nur» Bio-Produktion, meint Alois Kohler. Die zusätzliche Arbeit dafür nehme man in Kauf.