Die Swiss Football League (SFL) und die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren haben ein Projekt namens «Progresso» erarbeitet. Das Ziel: Fangewalt möglichst verhindern.
Noch ist das Projekt nicht in Kraft, aber die Behörden ziehen die Repressionsschraube an. Claudius Schäfer, CEO der SFL, beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Er sieht aber auch bei den Klubs Handlungspotential.
SRF News: Ein Teil des Projekts «Progresso» ist ein sogenanntes Stufenmodell. Claudius Schäfer, wie funktioniert das genau?
Claudius Schäfer: Das Projekt hat derzeit fünf Stufen. Das fängt bei kleineren Vorfällen an, bei denen das Gespräch gesucht wird, und kann bis zu schwereren Vorfällen gehen, bei denen es auch zu einer Sperrung der Fankurve kommen kann. Als Ultima Ratio sieht das Stufenmodell ein sogenanntes Geisterspiel vor, bei dem keine Zuschauerinnen und Zuschauer mehr ins Stadion gelassen werden.
Noch ist das Konzept nicht verabschiedet, dennoch werden bereits Massnahmen daraus angeordnet, wie etwa die Sperrung von Fansektoren. Warum?
Die Behörden haben auf Gewaltvorfälle reagiert, die es ausserhalb von Stadien gegeben hat. In Genf ging man zum Beispiel direkt auf die höchste Stufe und hat ein Geisterspiel verordnet. Da wurde das Stufenmodell eigentlich verletzt. Wir werden noch intensive Diskussionen mit den Behörden führen.
Tun die Vereine genug gegen Fangewalt?
Die Klubs tun sehr viel gegen Fangewalt. Es gibt einen regen Austausch zwischen Vereinen und Fans. Aber man muss auch sehen, dass die Möglichkeiten der Vereine begrenzt sind, wenn es um gewaltbereite Fans geht.
In der SFL haben wir eine Strategie, bei der wir verschiedene Massnahmen für die Liga und auch für die Klubs definiert haben. Bei den Reisewegen gibt es noch Verbesserungspotenzial. Zum Beispiel könnten die Klubs oder die Verantwortlichen der Fanprojekte die Fans bei der An- und Abreise vermehrt begleiten.
In Luzern ist es zum Beispiel so, dass der Weg der Auswärtsfans ins Stadion am Fanlokal des FC Luzern vorbeiführt. Dort kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Warum verlegt der Klub das Lokal nicht?
Es ist kein Klublokal, sondern ein Fanlokal, das heisst, es wird von den Fans und nicht vom Klub organisiert. Der Klub kann nur den Dialog mit den Fans suchen.
Die Liga selbst hat seit 2019 keinen Fanbeauftragten mehr. Seitens der Fanarbeit Bern wurde dies kritisiert und darauf hingewiesen, dass dies die eigene Arbeit erschwere.
Das ist richtig. Es gab eine Lücke, die wir in der Zwischenzeit füllen konnten. Für das Thema Sicherheit haben wir eine 100-Prozent-Stelle besetzt und im Bereich Prävention haben wir die Universität Bern mit verschiedenen Teilaufträgen engagiert. Wir wollen eine Stelle für unabhängige Fanbelange schaffen.
Ein Problem ist sicher, dass wir als Liga und auch als Behörde einen Röhrenblick haben. Es ist wichtig, dass wir eine unabhängige Stelle schaffen. Im Moment ist es die Universität Bern, die eine wissenschaftliche Perspektive in die Diskussion einbringt.
Das Gespräch führte Simone Hulliger, Mitarbeit Géraldine Jäggi.