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Im Schatten der Bösen Was die Schwingerinnen vom Frauenfussball lernen wollen

Noch vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest küren die Frauen ihre Schwingerkönigin. Doch es interessiert kaum.

50'000 Besucherinnen und Besucher fasst die Arena des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests, Ende August in Pratteln (BL). Das Fest kostet über 40 Millionen Franken. Die Wettkämpfe werden im Fernsehen übertragen, Schwingerkönige wie Jörg Abderhalden, Kilian Wenger oder Matthias Sempach sind Schweizer Berühmtheiten. Aber kennen Sie auch Diana Fankhauser, Melissa Klossner oder Angela Riesen?

Sie gelten als Favoritinnen für das Eidgenössische Schwingfest der Frauen, welches bereits eine Woche vor Pratteln stattfindet. Im 500-Seelen-Dorf Uezwil im aargauischen Freiamt, vor höchstens 1000 bis 1500 Zuschauenden. Geschwungen wird am 20. August nicht in einer imposanten Arena, sondern auf dem Hof der Familie Michel. Zu gewinnen gibt es keinen Siegermuni, sondern ein Siegerinnen-Rind.

Seit 30 Jahren sind die Frauen dabei

Rund 200 aktive Schwingerinnen gibt es in der Schweiz, sie stehen rund 6000 aktiven Schwingern gegenüber (beide Zahlen inkl. Nachwuchs). Immerhin: Die Zahl der Frauen steigt an, um fast das Doppelte innerhalb von fünf Jahren. Aber Frauen bleiben im Schwingsport bisher eine Randnotiz, obwohl das erste Frauenschwingfest bereits 1980 organisiert wurde und der Frauenverband seit 1992, also seit genau 30 Jahren, existiert. Und obwohl die Europameisterschaft im Frauenfussball zeigt, dass es auch anders gehen würde.

Gerade der Fussball sei für die Schwingerinnen daher eine Motivation, sagt Natalie Siffert, die Medienchefin des Eidgenössischen Frauenschwingverbands. «Vor 30 Jahren war es noch unvorstellbar, dass die EM der Frauen im Fernsehen übertragen wird. Es braucht also eine gewisse Zeit, bis auch die Akzeptanz des Frauenschwingens da sein wird.»

Frauen beim Schwingen, im Hintergrund wenige Zuschauer
Legende: Frauen schwingen etwas langsamer als Männer. Das allein reicht aber kaum als Erklärung dafür, dass der Sport bisher ein Schattendasein führt. (Archivbild von 2004) Keystone/Monika Flueckiger

Wie beim Fussball gelte auch beim Schwingen: Die Kämpfe seien genauso spannend, betont Siffert. «Der einzige Unterschied ist, dass die Frauen weniger Schnellkraft haben. Das ist aber ein Vorteil: Man sieht die Schwünge viel besser. Bei den Männern geht es oft sehr schnell. Da liegt der Gegner auf dem Rücken, aber man konnte gar nicht sehen, wie es dazu kam.»

Weniger Geld, weniger Publikum

Trotzdem: Bisher fehlt das grosse Publikum beim Frauenschwingen. Wohl auch, weil das grosse Geld fehlt. Die lokalen Organisatoren erwähnen in ihrem Einladungsschreiben an die Medien sogar, dass die finanziellen Mittel für Inserate fehlten. Man sei deshalb auf den «Goodwill der Medien angewiesen».

Es ist nicht einfach, weil wir eine Randsportart sind.
Autor: Natalie Siffert Medienchefin Eidgenössischer Frauenschwingverband (EFSV)

Das bestätigt auch Verbandsfunktionärin Natalie Siffert, die wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen im Verband ehrenamtlich arbeitet. Es sei schwierig, Sponsoren für diese Randsportart zu gewinnen. «Es kommt langsam. Wir haben immerhin einen Hauptsponsor gewinnen können. Aber der Weg dahin ist schwierig und steinig.»

Die Schwingerinnen und ihr Verband bleiben denn auch bescheiden. «Wir sind zufrieden, dass wir nach zwei Jahren Unterbruch wieder eine Schwingerkönigin küren dürfen», sagt Natalie Siffert. Sie tönt damit auch gleich an, was die Frauen den Männern schon heute voraus haben: Eine Schwingerkönigin gibt es nämlich jedes Jahr – im Gegensatz eben zu den Bösen, die nur alle drei Jahre an einem Eidgenössischen ihren König küren.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 29.07.2022, 17:30 Uhr ; 

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