Alle drei Jahre findet das Schwing- und Älplerfest statt – die Nachfrage nach Tickets ist jeweils enorm. Für das Eidgenössische in Pratteln (BL) Ende August waren alle Tickets im offenen Verkauf nach 1.5 Stunden weg. Beim letzten ESAF in Zug wollten 180'000 Personen ein Billett. Keine Sorgen machen müssen sich allerdings die Schwinger, die Funktionäre und Mitglieder des Schwingverbands (ESV) der Männer: Sie haben Tickets zugesichert bekommen.
Es ist eine grosse Enttäuschung, dass viele von uns nicht dahin gehen können.
Ganz anders bei den Schwingerinnen, die dem Verband der Frauen (EFSV) angehören: Hier bekommt der Verband kein einziges Vorkaufsrecht.
Dass viele Mädchen und Frauen, die selber auch schwingen, vom Eidgenössischen faktisch ausgeschlossen sind, ist bitter, sagt Natalie Siffert, Sprecherin des Eidgenössischen Frauenschwingverband. «Am ESAF treten auch viele Vorbilder der Mädchen und Frauen auf. Es ist eine grosse Enttäuschung, dass viele von uns nicht dahin gehen können.» Wie viele andere auch müssen sie hoffen, an eines der wenigen frei erhältlichen Tickets zu kommen.
Umso grosszügiger ist die Situation für die Männer: Schwinger, Verbandsmitglieder, Funktionäre, Ehrenmitglieder oder auch OK-Mitglieder des letzten ESAF – sie haben zuhauf Vorkaufsrechte für ein Ticket. Insgesamt 31'000 Tickets sind für sie reserviert.
Schwinger sehen Probleme beim Frauenverband
Die Frage, warum Männer gegenüber Frauen bevorzugt werden, beantwortet der ESV schriftlich: «Der Eidgenössische Schwingerverband und auch der Eidgenössische Frauenschwingverband sind unabhängige und eigenständige Organisationen.» Der ESV sei politisch und konfessionell neutral, dies gelte auch für Gender-Fragen, heisst es weiter. Ausserdem habe der Verband der Männer schon mehrfach eine Zusammenarbeit der Verbände angestrebt. Dies sei jedoch immer gescheitert, und zwar wegen des Frauenverbands.
Die Organisatoren des Eidgenössischen weisen die Verantwortung übrigens von sich. Sie argumentieren, dass die Verteilung der Tickets reine Angelegenheit der Verbände sei.
Argumente, die Natalie Siffert vom EFSV keineswegs überzeugen. «Während Corona hat man uns zum Beispiel gesagt, dass wir jetzt andere Sorgen haben als der Frauenschwingverband.» Das Ziel der Frauen sei, nach dem ESAF wieder einen Schritt auf die Männer zuzugehen. «Wir müssen wieder zusammen an einem Tisch sitzen und eine gemeinsame Zukunft finden.»
Es ist noch in vielen Köpfen verbreitet, dass das Schwingen kein Sport für Frauen ist.
Für Natalie Siffert vom Frauenschwingverband sei dies auch Ausdruck davon, dass Mädchen und Frauen bei vielen Schwingern noch immer nicht voll akzeptiert würden: «Es ist noch in vielen Köpfen verbreitet, dass Schwingen kein Sport für Frauen ist.» Und das, obwohl der Eidgenössische Frauenschwingverband bereits 1992 gegründet wurde.
Die Atmosphäre zwischen den Verbänden scheint angespannt zu sein. So sagt Siffert, Kampfrichter seien vom Männerverband früher immer abgemahnt worden, wenn sie an Frauenwettkämpfen aufgetreten seien: Sie müssten sich entscheiden, entweder für Frauen oder für Männer zu richten. Ob das heute noch der Fall sei, wisse sie nicht. Sie hätten auf jeden Fall immer noch Schwierigkeiten, Kampfrichter zu bekommen. Der Männerverband weist dies zurück. Es gebe keine solche Weisungen.
Trotz angespanntem Verhältnis hofft Siffert, dass Gemeinsamkeiten in Zukunft im Vordergrund stehen: «Es geht um eine Schweizer Tradition. Diese können Frauen genau gleich gut wie Männern ausleben.»