Schweizer Fischer fürchten um ihre Existenz, denn es gibt immer weniger Fische in Schweizer Seen. Das zeigt das Beispiel der Felchen. Allein im Neuenburgersee sind die Fangzahlen im letzten Jahr um fast 40 Prozent zurückgegangen. Die Situation sei dramatisch und eine Besserung nicht in Sicht, sagt Reto Leuch, Präsident des Berufsfischerverbandes. Wenn die Politik nicht handle, könnten immer weniger Fischer von ihrer Arbeit leben.
SRF News: Ist die Trockenheit schuld, dass es so wenig Fische gibt?
Reto Leuch: Nein, die Trockenheit ist kein Problem für die Fische in den Schweizer Seen. Sie ist ein Problem in den Fliessgewässern, in denen die Temperaturen so sehr gestiegen sind, dass es problematisch geworden ist für den Fischbestand. Aber in den Seen können sich die Fische in tiefere, kühlere Regionen des Sees zurückziehen.
Woran liegt es denn, dass so wenig Fische in den Seen schwimmen?
Wir weisen schon lange darauf hin, dass zu wenig Nährstoffe für die Felchen im Wasser sind – und somit zu wenig Futter. Darum wachsen die Felchen nicht mehr. Das Hauptproblem ist der Phosphor. Wenn der Phosphorgehalt im See zu tief ist, gibt es kein Algenwachstum mehr. Die Felchen ernähren sich aber von Plankton. Plankton braucht Algen zum Wachsen. Die Nahrungskette ist also unterbrochen. Und wenn der erste Teil in der Nahrungskette fehlt, fehlt auch die Nahrung für die Felchen.
Warum hat es zu wenig Phosphor in den Seen?
Phosphor war lange ein Problemstoff in den Seen. Diese waren vor Jahren noch überdüngt. Dann hat man mit erheblichen Massnahmen den Phosphorgehalt in den Seen heruntergebracht. Nun ist man bei vielen Seen bei so einem tiefen Level angekommen, dass es zu wenig ist.
Wir haben Seen, in denen es zu Nährstoffmangel gekommen ist – auch in grossen Seen.
Das Problem sind die Kläranlagen, dort wird dem Wasser Phosphor entzogen. Dort hätte man die Möglichkeit, dem Nährstoffmangel entgegenzuwirken.
Sind die Schweizer Seen also derzeit zu sauber für die Fische?
Zu sauber kann man auch nicht sagen. Es hat viele Stoffe in den Seen, die dort nicht hinein gehören. Aber Phosphor ist ein Nährstoff. Es braucht ihn in gewissen Mengen, und dieser Nährstoff ist zu wenig vorhanden.
Nicht in allen Seen, aber wir haben Seen, in denen es zu Nährstoffmangel gekommen ist – auch in grossen Seen wie dem Bodensee, dem Neuenburgersee oder dem Vierwaldstättersee kommt diese Problematik vor. Man dachte früher immer, das sei nur ein Problem von einem Brienzersee, einem kleinen See. Aber da nun auch grosse Seen dieses Problem haben, ist jetzt Zeit zum Handeln.
Gleichzeitig haben gewisse Vogelbestände zugenommen, etwa die Kormorane. Ist auch das ein Grund für den Nahrungsmangel?
Ja, das ist auch ein Grund. Am Bodensee sind wir so weit, dass die Kormorane die gleiche Menge Fisch aus dem See holen wie die Berufsfischer. Das sind erhebliche Mengen. Und der Kormoranbestand nimmt stetig zu.
Da nun auch grosse Seen dieses Problem haben, ist jetzt Zeit zum Handeln.
Wir sind der Meinung, dass etwas unternommen werden muss. Der Bundesrat hat vor acht Jahren Vollzugshilfe versprochen. Er spielte den Ball den Kantonen zu. Es ist aber noch nichts passiert und die Vögel vermehren sich immer mehr. Wir wollen den Kormoran nicht ausrotten. Aber zurzeit sind es einfach zu viele. Man muss die Anzahl Brutpaare in der Schweiz auf ein vernünftiges Mass reduzieren.
Sie sagen, die Politik handle nicht. Woran liegt das?
Zum Teil werden wir nicht ernst genommen. Es ist ein schwieriges Thema, nicht nur in der Schweiz, sondern europaweit, und es braucht eine Lösung. Hier müssen alle zusammen am gleichen Strang ziehen. Es nützt nichts, wenn der Bund zu den Kantonen sagt, jetzt seid ihr dran, und die Kantone tun nichts oder zu wenig. Das muss jetzt angegangen werden, im Interesse aller.
Sie sind selber Fischer. Können Sie noch leben von der Fischerei?
Wir am Bodensee können nicht mehr leben von der Fischerei. Das ist schon mehrere Jahre so. Das ist nicht nur hier ein Problem, das ist langsam auch an anderen Seen so, und das ist sehr problematisch. Auch dass wir keinen Nachwuchs mehr haben, ist ein Problem. Kein Junger fängt mehr an, den Beruf zu lernen, weil man damit keine Existenz aufbauen kann.
Das Gespräch führte Teresa Delgado.