Vier Jahre sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie vergangen. Doch das Generationenereignis bewegt weiterhin – auch Ex-Bundesrat Ueli Maurer. Am Rande der Aarauer Demokratietage, wo der frühere Finanzminister über den Steuerwettbewerb referierte, hat er gegenüber SRF erneut scharfe Kritik geübt am Verhalten von Politik und Medien während den Corona-Jahren.
In dem kurzen Interview wiederholte der Ex-Bundesrat bereits zu früheren Zeitpunkten geäusserte Vorwürfe.
Die Politologin Sarah Bütikofer und Infektiologe Jan Fehr ordnen die Kritikpunkte des Alt Bundesrats ein.
Kritikpunkt eins: Ausufernde Staatsfinanzen
Für den Ex-Magistraten ist klar: Die Corona-Jahre haben zu einem Mentalitätswechsel in der Schweiz geführt. Man habe während der Pandemie in der Finanzpolitik den «Massstab verloren und für alles und jedes bezahlt». Der SVP-Politiker bemüht Schiller und spricht vom «Fluch der bösen Tat», die fortzeugend Böses habe gebären müssen.
Sarah Bütikofer vom Forschungsinstitut Sotomo sieht die Aussagen Maurers kritisch. «Für Corona gab es kein Vergleichsbeispiel.» Zwar seien die Ausgaben damals aufgrund der Ausnahmesituation tatsächlich rasch angestiegen. Eine grundsätzliche Richtungsänderung sei in der Finanzpolitik aber nicht feststellbar. Das zeige sich nicht zuletzt an den aktuellen Debatten in Bundesbern. «Im Moment steht ja eher wieder das Sparen im Vordergrund.»
Kritikpunkt zwei: Manipulation der Bevölkerung
Nach Ausbruch der Pandemie habe sich grosse Verunsicherung in der Bevölkerung breit gemacht, so Maurer. «Man hat den Menschen gesagt: ‹Wenn ihr nicht genau das macht, was wir sagen, dann sterbt ihr oder eure Mitmenschen›», fasst Maurer, der während 14 Jahre in der Landesregierung sass, die Behördenkommunikation aus seiner Sicht zusammen. Dabei habe es sich um ein «Diktat» gehandelt, «das es in einem freiheitlichen Staat so nicht geben darf», so Maurer.
Gemäss Politologin Sarah Bütikofer dürfte Ueli Maurer mit seinen jüngsten Aussagen vor allem die SVP-Basis ansprechen wollen. In dieser habe es von Beginn weg Kreise gegeben, die den Massnahmen gegenüber kritisch eingestellt waren. Insgesamt sei die Schweizer Corona-Politik im internationalen Vergleich aber eher von Zurückhaltung geprägt gewesen. «Ausgangssperren und dauerhafte Schulschliessungen gab es bei uns nicht», so die Politologin. «Dazu beigetragen haben dürfte auch das damalige Bundesratsmitglied Ueli Maurer.»
Kritikpunkt drei: Falschaussagen zur Wirksamkeit des Impfstoffs
Gemäss Ueli Maurer haben die Verantwortlichen versprochen, dass die Impfung schützen würde – einen selbst sowie das Umfeld. «Das stimmte aber nicht», so der SVP-Politiker. Auf die Nachfrage des SRF-Reporters, wonach eine wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit des Impfstoffes bestehe, reagiert Maurer harsch: «Wissenschaftler sagen alles Mögliche. Von dem, was damals gesagt wurde, hat relativ viel einfach nicht gestimmt.»
Infektiologe Jan Fehr von der Universität Zürich stellt klar, dass bei der Impfung von Beginn weg der Schutz vor schweren Erkrankungen im Zentrum gestanden habe. Diesen Auftrag habe die Impfung erfüllt. «Der Ansteckungsfaktor war dann noch einmal ein anderes Kapitel», so der Mediziner. So habe es zu Beginn noch eher zugetroffen, dass die Impfung vor Ansteckungen schützte. «Mit Delta und vor allem mit Omikron ging der Ansteckungsschutz aber zurück». Während der gesamten Pandemie habe die Wissenschaft laufend dazugelernt.
Kritikpunkt vier: Fehleinschätzung der Gefahr des Virus
20 Millionen Menschen starben laut WHO weltweit bislang am Coronavirus. Doch auf die Frage, ob das Virus eine Gefahr dargestellt habe, antwortet Maurer kurz und deutlich mit «Nein». Auch Bedenken wegen der vielen Long-Covid-Fälle wischt er beiseite: Auch bei einer Grippe gebe es Langzeitschäden, findet Maurer. Der zu Ende gehende Winter ist für ihn ein Beispiel dafür, dass man es mit grippeähnlichen Zuständen zu tun habe. «Das war wohl alles Corona. Doch dafür hat sich keiner interessiert.»
Infektiologe Fehr kritisiert die Aussagen Maurers und spricht von einer Verharmlosung. «Wenn man sich die Bilder von Bergamo in Erinnerung ruft, dann merkt man, dass das ganz etwas anderes war.» Mittlerweile habe sich die Lage tatsächlich verändert. «Heute sind die meisten Leute geimpft und haben sich in der Vergangenheit angesteckt. 99 Prozent haben Antikörper gegen das Coronavirus aufgebaut.» Nur darum sei heute ein geregelter Alltag möglich.