Bis tief in die Nacht debattierten die Stadtgenfer Gemeinderätinnen und Gemeinderäte am Mittwoch, bis schliesslich die Motion überwiesen wurde. Nun soll die internationale Stadt, Sitz der UNO, ganz offiziell eine Diskriminierung zwischen Männern und Frauen einführen: Stadtbewohnerinnen sollen eine Karte erhalten, mit der sie in alle städtischen Einrichtungen günstiger hereinkommen als Männer. Männer bezahlen weiterhin 100 Prozent des Eintrittspreises ins Theater oder die Badi, Frauen bekommen fürs Frausein einen Rabatt von 20 Prozent.
«So machen wir die Lohnungleichheit sichtbar», sagt Brigitte Studer, die für «Ensemble à Gauche» im Stadtparlament sitzt. Studer hat das Projekt von Beginn weg begleitet und erinnert sich: «Die Idee entstand am Frauenstreik 2019. Mit dem Frauenrabatt von 20 Prozent weisen wir auf den Lohnunterschied zwischen Mann und Frau in der Schweiz hin», sagt die 74-Jährige.
Die linksgrüne Ratsseite macht alle Frauen einmal mehr zum schwachen Geschlecht, dem geholfen werden muss.
«Es ist eine symbolische Massnahme», erklärt Studer gegenüber SRF News weiter. Der Vorschlag sei als Motion eingereicht worden, es gebe bei der Umsetzung also Spielraum für die Stadt.
Hat die Stadt Spielraum?
Gar keinen Spielraum hingegen sieht der Staats- und Verfassungsrechtler Bernhard Waldmann: «Eine solche Regelung ist klar verfassungswidrig. Die Stadt Genf ist an die Grundrechte der Bundesverfassung gebunden und sie darf Differenzierungen nach Geschlecht nur nach ganz triftigen Gründen vornehmen.» Und das wiederum sei mit einem symbolischen, ebenfalls diskriminierenden Gesetz ganz sicher nicht gegeben, sagt Waldmann, der an der Universität Freiburg lehrt.
Darum foutieren sich die links-grünen Parlamentarier im Genfer Stadtparlament aber. Dass sie gegen die Verfassung verstossen, kontern sie mit der Lohngleichheit, die ebenfalls in der Verfassung stehe, seit 25 Jahren aber nicht umgesetzt werde. «Und das wird einfach so hingenommen», sagt Studer, welche auch gleich darauf hinweist, dass der Frauenrabatt von 20 Prozent durchaus auch als Provokation gedacht sei.
Bleibt die Motion nur ein Symbol?
Allerdings blendet die Politikerin aus, dass die eidgenössischen Räte vor nicht einmal zwei Jahren ein Gesetz einführten, das Firmen mit mehr als 100 Beschäftigten zu einer Kontrolle der Löhne zwingt – betroffen davon sind 46 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz. Die Massnahme allerdings geht Studer viel zu wenig weit: «Damit wird der Lohnunterschied nicht abgeschafft.»
Völlig quer findet den Vorstoss die Genfer Gemeinderätin Michèle Roullet, die für die FDP im Stadtparlament sitzt: «Die Millionärin kann jetzt vergünstigt in die Oper, während der Student weiterhin den vollen Preis bezahlt. Die links-grüne Ratsseite macht alle Frauen einmal mehr zum schwachen Geschlecht, dem geholfen werden muss.»
Geholfen aber ist mit der Motion so oder so noch niemanden. Denn die Genfer Stadtregierung muss nun dem Parlament eine Umsetzung des Frauenrabatts vorschlagen. Das dürfte im Rahmen der geltenden Bundesgesetze eine Knobelaufgabe werden, die vielleicht gar nicht umsetzbar ist. So bliebe die Motion tatsächlich nichts mehr als ein Symbol – genauso wirkungslos wie andere Massnahmen für eine umfassende Lohngleichheit.