Grosse Firmen wie Novartis oder Google bieten 12 Wochen Vaterschaftsurlaub und mehr. Freiwillig. Die Kosten tragen die Firmen selbst. Aber nicht nur die ganz Grossen wollen mit der grosszügigen Sozialleistung punkten. Auch kleine Firmen ziehen mit.
Freiwilliger Vorreiter
Michael Hess ist Geschäftsführer von Wenger, Hess & Partner. Ein Familienunternehmen mit rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das sich auf Stuckaturen spezialisiert hat. Seit 2012 bietet Michael Hess seinen Mitarbeitern eine Woche bezahlten Vaterschaftsurlaub.
Den Ausschlag dafür gab die eigene Erfahrung. Als sein zweites Kind 2012 zur Welt kam, hatte er alle Hände voll zu tun. «Ich musste jeden Tag ins Geschäft und kurz nach der Geburt ins Ausland reisen. Das war sehr schwierig für meine Frau.»
Seine Frau gab den Anstoss, und Michael Hess rechnete aus, was ihn eine Woche Vaterschaftsurlaub kosten würde. «Durchschnittlich kommen in unserem Betrieb 1,1 Kinder pro Jahr zur Welt. Eine Woche Urlaub kostet mich etwa ein Viertel Monatslohn.» Bei einem Durchschnittslohn von 5000 Franken entspricht dies circa 1200 Franken – die Kosten für das Ersatzpersonal nicht eingerechnet. «Das ist nicht viel, das verkraften wir.»
Auch als in einem Jahr gleich drei Männer Vater wurden, habe sich der Urlaub finanzieren und organisieren lassen. «In der Baubranche müssen wir sowieso flexibel planen. Es macht keinen Unterschied, ob ein Mitarbeiter krank wird oder ein Kind bekommt.»
Vier Wochen per Gesetz
Eine Volksinitiative, die im Sommer eingereicht wurde, fordert, dass der Vaterschaftsurlaub gesetzlich verankert wird und analog zur Mutterschaftsversicherung über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird.
Urheber der Initiative sind der Gewerkschaftsbund travail.suisse, sowie die Organisationen männer.ch, Alliance F und Pro Familia Schweiz. Vier Wochen Vaterschaftsurlaub seien wichtig für die Vater-Kind-Beziehung, entlaste die Mütter und erleichtere ihnen den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben. Zudem sei es höchste Zeit, dass der Vaterschaftsurlaub nicht vom Goodwill der Unternehmen abhänge, sondern dass alle gleich viel erhielten und der Urlaub solidarisch finanziert werde.
Vier Wochen Vaterschaftsurlaub würden laut Berechnungen des Bundes 420 Millionen pro Jahr kosten. Zu teuer, findet der Bundesrat. Er will stattdessen Kantone und Gemeinden darin unterstützen, die familienergänzende Kinderbetreuung auszubauen.
Weniger Militär, mehr Papizeit
Die Initianten argumentieren jedoch, dass die Anzahl Militärdiensttage sinke und deshalb mit den heutigen Beiträgen bereits ein Teil des neuen Vaterschaftsurlaubs bezahlt werden könne. Wäre eine Erhöhung des EO-Beitragssatzes nötig, sei dies zudem gut zu verkraften.
Tatsächlich sanken die EO-Bezüge im Bereich Militär von 165'800 Im Jahr 2013 auf 142'200 im Jahr 2017. Jedoch stiegen die Bezüge für den Mutterschutz von 74'600 auf 81'300. Deshalb, so der Bund, wäre eine Beitragserhöhung von 0,11 Prozent notwendig, um vier Wochen Vaterschaftsurlaub finanzieren zu können.
Wie viel dies kostet, lässt sich anhand einer Modellrechnung veranschaulichen. Bei einem Lohn von 5’000 Franken entspricht die Beitragserhöhung von 0,11 Prozent 5 Franken 50. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssten also je 2 Franken 75 pro Monat zusätzlich zahlen.
Purer Luxus?
Die Frage ist weniger, ob sich die Schweiz dies leisten kann, sondern mehr, ob sie es sich leisten will. Denn letztlich es geht um eine staatspolitische Frage: Soll der Staat den Vaterschaftsurlaub regeln oder hat der Staat nichts am Familientisch verloren?
Die Gegner, zum Beispiel der Arbeitgeberverband, finden, dass es sich um einen unnötigen Ausbau des Sozialstaats handle. Ein gesetzlich vorgeschriebener Vaterschaftsurlaub schränke die unternehmerische Freiheit ein, belaste die Wirtschaft mit zusätzlichen Abgaben und ändere nichts an bestehenden Rollenbildern.
Wie geht es nun weiter?
In der Sommersession kommt das Anliegen ins Parlament. Die zuständigen Kommissionen haben sich aber bereits mit der Initiative beschäftigt. Sie lehnen diese ab, haben jedoch einen Gegenvorschlag erarbeitet. Sie schlagen zwei Wochen vor statt vier. Dieser Kompromissvorschlag stelle einen Beitrag zur Schaffung eines familienfreundlichen Arbeitsumfelds dar und sei für die Sozialwerke und die Unternehmen tragbar.
Die Initianten sind mit dieser Variante nicht einverstanden. Vier Wochen seien bereits ein Kompromiss. Damit ein Vaterschaftsurlaub die Rahmen- und Startbedingungen einer jungen Familie wirklich verbessern könne, brauche es vier Wochen. Dass die Initiative zurückgezogen wird, ist deshalb unwahrscheinlich, und es dürfte zu einer Volksabstimmung kommen.
Nur eine Frage der Zeit?
Die Mutterschaftsversicherung scheiterte mehrmals an der Urne, bevor sie 2004 angenommen wurde. Dass das Stimmvolk schlussendlich Ja sagte, lag unter anderem daran, dass die Vorlage breit abgestützt war. Auch Wirtschaftsverbände unterstützen das Anliegen, ausser der SVP standen alle Parteien dahinter.
Ob ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub an der Urne angenommen wird, dürfte auch davon abhängen, welche Parteien und Organisationen sich hinter das Anliegen stellen.