Der Auftritt der neuen Bundesrätin Karin Keller-Sutter heute war aufschlussreich. Sekundiert von Sozialminister Alain Berset präsentierte die Sankt Gallerin komplizierte Massnahmen zur Stärkung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Das machte auch schon ihr Parteikollege und frühere Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann.
Doch eigentlich ging es heute um etwas ganz anderes. Keller-Sutter streckte den Sozialpartnern demonstrativ die Hand aus und dankte ihnen mehrmals für ihre Arbeit bei der Erarbeitung dieser Massnahmen in den letzten Wochen.
Mit dem Ziel vor Augen
Keller-Sutter betonte, dass nach dem «Bruch» letztes Jahr die Sozialpartnerschaft jetzt wieder spiele. Warum tut sie das? Weil sie eine Agenda hat und die Sozialpartner braucht. Karin Keller-Sutters Ziel ist es, die Personenfreizügigkeit zu retten und für die Zukunft abzusichern.
Bereits heute hat Justizministerin Keller-Sutter die Initiative zur Beendigung der Personenfreizügigkeit der SVP auf dem Radar. Im Abstimmungskampf werde es helfen, «mit den Sozialpartnern» kämpfen zu können, sagte Keller-Sutter ganz offen.
Brücke und Fundament
Was sie heute nicht sagte: Die Sozialpartner und die Linken wird es dereinst noch mehr brauchen, wenn ein Rahmenabkommen mit der EU vor dem Volk eine Chance haben soll. Ihr Engagement für die inländischen Arbeitskräfte ist also als Brücke oder Fundament zu sehen für die Zukunft, damit die europapolitische Koalition (Sozialpartner inklusive) wieder spielt.
Heute ging es auch darum, dass sich die neue Justizministerin im Europa-Dossier positioniert. Das tut sie seit ihrem ersten Arbeitstag. Warum sie und nicht der Wirtschaftsminister heute auftrete, wurde sie gefragt. Weil die Personenfreizügigkeit Sache ihres Departements – des EJPD – sei, antwortete sie forsch.
Das mag sein aber heute hätte genauso gut Wirtschaftsminister Guy Parmelin die inländischen Massnahmen zur Stärkung der Arbeitskraft in diesem Land vorstellen können. Er sei verhindert, hiess es. Wie auch immer.
Kein Zufall
Der Auftritt von «KKS» war wohl kein Zufall. Die ehrgeizige Sankt Gallerin hat erkannt: Wenn sie in einem Jahr die SVP Initiative gegen die Freizügigkeit bodigt, wird sie als Retterin der Bilateralen dastehen und nicht Aussenminister Ignazio Cassis. Er sollte ja eigentlich das Europa-Dossier führen.
Eine ähnliche Situation hatten wir schon einmal mit Ex-Justizministerin Simonetta Sommaruga und Ex-Aussenminster Didier Burkhalter. Dort war es auch so, dass die Justizministerin und nicht der Aussenminister für die Umsetzung der Masseneinwanderung zuständig war.
Fazit: Der heutige Tag zeigt, dass die neue Justizministerin einen klaren Plan und eine Agenda zur Europapolitik hat. Dies ist wohltuend nach Jahren des Lavierens vieler Bundesräte in diesem zentralen Dossier für die Schweiz. Und zweitens meldete Karin Keller-Sutter mit ihrem klaren Auftritt heute ihren Führungsanspruch im neu zusammen gesetzten Bundesrat an.