An wen richtet sich die neue Weiterbildung? In der Schweiz leben rund 400'000 Musliminnen und Muslime. Rund ein Viertel von ihnen sind im Kanton Zürich zu Hause, wo sich viele als Betreuungspersonen in der muslimischen Gemeinschaft engagieren: Sie leiten beispielsweise Jugendgruppen oder geben Nachhilfeunterricht. Ab 2022 können sich solche Personen zusammen mit Imamen im Lehrgang «Zürich-Kompetenz» weiterbilden.
Wie einzigartig ist die Ausbildung in Zürich? «Das Projekt ist in dieser Form tatsächlich neu für die Schweiz», bestätigt Islamwissenschaftler Andreas Tunger von der Universität Luzern auf Anfrage von SRF. An der Universität Freiburg können sich Imame zwar bereits heute weiterbilden. Der Unterschied? «Dort versammeln sich Leute aus der ganzen Schweiz», sagt Tunger. Die neue Weiterbildung fokussiere hingegen nur auf Musliminnen und Muslime aus dem Kanton Zürich. Gleichzeitig daure der Weiterbildungslehrgang länger als an der Universität Freiburg – und sei ausgesprochen praxisorientiert.
Weshalb bietet der Kanton Zürich den Lehrgang an? Viele der Betreuungspersonen arbeiten in den Religionsgemeinschaften freiwillig und ehrenamtlich mit. Sie sollen sich weiterbilden können. Laut der Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) sind muslimische Betreuungspersonen als Brückenbauer tätig: «Imame und muslimische Betreuungspersonen haben eine zentrale Rolle für die muslimische Gemeinschaft», sagt Fehr, «und damit auch für die Gesamtgesellschaft und den Staat».
Imame und muslimische Betreuungspersonen sind Schlüsselpersonen.
Es sei wichtig, dass diese Schlüsselpersonen das nötige Rüstzeug für ihre Aufgabe mitbringen. Auch Zürcher Gemeinden könnten gemäss ihrer Einschätzung profitieren: Sie erhielten bei Fragen der Jugendarbeit oder der Integration Ansprechpersonen.
Wie läuft die Weiterbildung ab? Der Lehrgang im Kanton Zürich dauert acht Seminartage lang. In theoretischen Blöcken diskutieren die Frauen und Männer über Pädagogik, Religionsfreiheit oder Kommunikation. Auch zürcherische und schweizerische Inhalte werden laut den Verantwortlichen vermittelt. Weiter besuchen die Teilnehmerinnen andere Einrichtungen. Für die Weiterbildung müssen Interessenten ein Auswahlverfahren bestehen. Es beinhaltet unter anderem eine Sicherheitsprüfung.
Wie reagiert die muslimische Seite auf die Weiterbildung? Die Vereinigung der Islamischen Organisationen Zürich (VIOZ) begrüsst die Möglichkeit. Jahrelang habe man sich bereits für eine solche Weiterbildung eingesetzt, sagt Sakib Halilovic vom Dachverband.
Im Leben hat man nie ausgelernt. Das wissen wir alle.
Laut dem Gefängnisseelsorger hat die Gesellschaft viele Forderungen und Erwartungen an die muslimische Gemeinschaft. «Dabei geht manchmal vergessen, dass wir kein eingeölter Apparat mit vielen Festangestellten sind», so Halilovic, «wir sind eher ein typisch schweizerischer Milizverein mit wenig finanziellen Mitteln». Gerade ehrenamtlich tätige Personen könnten von der Ausbildung profitieren.
Wer steht hinter der Ausbildung? Der Kanton Zürich hat einerseits mit dem Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft der Universität Freiburg gearbeitet. Auch die VIOZ unterstützt das Projekt. Es ist auf drei Jahre ausgelegt und kostet rund 405'000 Franken. Der grösste Teil stammt aus dem Gemeinnützigen Fonds des Kantons Zürich.