Das Parlament hat vergangene Woche den Rahmenkredit für die internationale Zusammenarbeit (IZA) für die nächsten vier Jahre genehmigt – für Aussenminister Ignazio Cassis ein Zeichen der humanitären Tradition der Schweiz, wie er im Interview sagt.
SRF: Herr Bundesrat Cassis, das Parlament steht kurz davor, rund elf Milliarden für die Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen. Hätten Sie gedacht, dass in Zeiten von Corona und zusätzlichen Milliardenausgaben die Entwicklungszusammenarbeit sozusagen ungeschoren davon kommt?
Ignazio Cassis: Ich bin erfreut, dass diese Strategie mit diesen elf Milliarden praktisch durchgekommen ist. Im Frühjahr hatten wir tatsächlich etwas Bedenken aufgrund der grossen Verschuldung wegen Covid-19, dass diese Rahmenkredite reduziert würden. Das Gegenteil war der Fall. Das Parlament hat entschieden, 400 zusätzliche Millionen für die humanitäre Hilfe für die Covid-Opfer zur Verfügung zu stellen.
Wir haben gesehen, wie gross das Leiden in der Welt war und man hat entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt.
Haben Sie eine Erklärung, warum das Parlament so entschieden hat?
Ich glaube, das ist die humanitäre Tradition der Schweiz. Wir haben gesehen, wie gross das Leiden in der Welt war und man hat entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt.
Sie möchten in der Entwicklungszusammenarbeit mehr auf Kooperationen mit privaten Firmen vor Ort setzen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das hat Ihnen zum Teil Kritik eingebracht. Entwicklungshilfeorganisationen sagen, das sei zu vage.
Ja, wir haben vier Ziele definiert für diese Strategie. Das erste Ziel heisst Jobs schaffen, also Arbeitsstellen für die Jungen, Perspektiven vor Ort. Und wer schafft Jobs? Der Privatsektor. Das sind Unternehmer, die Jobs schaffen, ergo müssen wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, um diese Arbeitsstellen zu schaffen, damit die Jungen vor Ort Perspektiven haben. Die NGOs haben andere Funktionen, und wir kooperieren weiterhin mit ihnen, auf wichtige und unterschiedliche Art und Weise.
Gesunde Firmen wollen Geld verdienen. Das ist der Zweck. Und wenn sich ihr Zweck trifft mit unserem Ziel, Jobs zu schaffen, dann haben wir eine Win-Win-Situation.
Es gibt jetzt schon Beispiele von Zusammenarbeit. Ihr Vorgänger hatte ein Abkommen abgeschlossen mit Nestlé im Zusammenhang mit Trinkwasser. Eine Firma wie Nestlé möchte doch auch Geld verdienen?
Ja, gesunde Firmen wollen Geld verdienen. Das ist ihr Zweck. Und wenn sich ihr Zweck trifft mit unserem Ziel, Jobs zu schaffen, dann haben wir eine Win-win-Situation. Es fliesst ja auch kein Steuerrappen in den Privatsektor der Schweiz. Aber wir kooperieren mit dem Privatsektor der Schweiz, wenn es in unserem Interesse ist, sonst nicht.
Beim Thema EU-Rahmenabkommen hat man gesagt, man warte nun auf die Abstimmung über die Begrenzungsinitiative. Am Sonntag ist es soweit. Wenn die Initiative abgelehnt werden sollte, kommen Sie dann am Montag oder am Mittwoch und legen die Karten auf den Tisch, wie es damit nun weitergeht?
Sie haben es richtig gesagt, zuerst müssen wir den nächsten Sonntag abwarten. Sollte die Initiative abgelehnt werden, dann wird der Bundesrat in den nächsten Wochen die Diskussionen mit der EU wieder aufnehmen, um die Frage des Rahmenabkommens zu diskutieren.
Sie sagen in den nächsten Wochen. Das heisst, es geht nicht so schnell?
Es geht etwas in den nächsten Wochen, wir werden sehen mit welcher Geschwindigkeit.
Ihr ehemalige Partei- und Bundesrats-Kollege Johann Schneider-Ammann hat am Wochenende gesagt, das Rahmenabkommen berge grosse Gefahren. Es sei ein zu grosser Souveränitätsverlust. Wie finden Sie das, dass ein Ex-Kollege Ihnen so ein bisschen in den Rücken fällt.
Das möchte ich natürlich nicht kommentieren. Wie gesagt, der Bundesrat hat seinen Plan, und wird gemäss diesem Plan vorgehen.
Das Interview führte Gion-Duri Vincenz.