Die Armut in der Welt will auch der Bund bekämpfen. Wichtig sei dafür ein Wirtschaftswachstum in den armen Ländern, mit denen die Schweiz zusammenarbeite. So steht es in der Botschaft zur neuen Strategie. Aber Wirtschaftswachstum allein genüge bei weitem nicht, warnt Entwicklungsexperte Thomas Breu.
Er ist Direktor am CDE, dem Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt der Universität Bern, und Mitglied der Akademien Schweiz: «Die Entwicklungsländer haben die höchsten Wirtschaftswachstumsraten überhaupt. In dem Sinn ist es nicht wichtig, das Wachstum weiter zu fördern, sondern es besser zu verteilen.»
Bund soll Umverteilung anstreben
In vielen armen Ländern sei das Wachstum nicht bei den Ärmsten angekommen. Darum erwartet Breu vom Bund, dass er mit den Partnerländern nach Wegen suche, wie auch die Ärmsten zu mehr Einkommen kommen könnten.
Das Eidgenössische Departement des Äusseren (EDA) wollte sich zu dieser Kritik nicht äussern. Es bekommt aber Unterstützung von Jan Atteslander vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Wirtschaftswachstum hat bereits hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreit, vor allem in Asien, sagt Atteslander. Der Bundesrat wolle, dass dies so fortgesetzt werde. «Es ist letztlich auch Aufgabe der Länder selbst, eine entsprechende Entwicklung anzustreben. Es gibt keine Alternative.» Besonders erfolgreich habe China seine Armut bekämpft, sagt der Ökonom.
Ökologische Schäden
Mit dieser Einschätzung ist Breu vom CDE nicht einverstanden. China habe zwar weniger schwere Armut, aber die Ungleichheit habe sich stark vergrössert: «Die gesellschaftlichen Spannungen, die zugenommen haben, aber auch die ökologischen Schäden werden längerfristig Probleme für die Region darstellen.»
Das Stichwort ökologische Schäden betrifft eine weitere Kritik, die Breu an der neuen Entwicklungshilfestrategie des Bundes übt. Sie nehme sich Ziele vor, die schwer miteinander vereinbar seien: «Ich sehe ganz klare Zielkonflikte zwischen dem Wirtschaftswachstumsziel und der Bekämpfung des Klimawandels.»
Es fehlten konkrete Ansätze in der Strategie, wie das Ziel zur Bekämpfung des Klimawandels trotz des angestrebten Wachstums zu erreichen sei. Als mögliches Beispiel nennt Breu fossile Rohstoffe. Benzin wird in vielen ärmeren Ländern nicht besteuert oder gar subventioniert. Dies fördert den Verbrauch und dem Staat entgehen Einnahmen, die er für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft einsetzen könnte. Hier könne die Schweiz mit ihrem Steuer-Knowhow den Partnerländern helfen, um anzusetzen. Solches Knowhow ist gefragt, denn es ist schon zu Unruhen gekommen, wenn Entwicklungsländer die Preise für fossile Treibstoffe erhöhen wollten.
Kurzgehaltene Botschaft
Für Atteslander von Economiesuisse stimmt das Zusammenspiel der Ziele in der Entwicklungsstrategie des Bundes, auch wenn es im Bereich des Klimawandels noch Verbesserungspotential gebe: «Der Klimawandel betrifft fast alle Bereiche in diesen Ländern. Deshalb wird dies noch auszuformulieren sein.»
Es sei wohl ein grundsätzliches Problem dieser Botschaft, dass sie so knapp gehalten sei. Deshalb fänden nicht alle das, was sie gerne finden würden. Als Bundesrat Ignazio Cassis die neue Entwicklungshilfestrategie im Mai vorstellte, wünschte er sich eine lebhafte Debatte. Er ist nicht enttäuscht worden.