Abschottung oder Weltoffenheit: Doris Leuthard beobachtet eine steigende Tendenz in der Bevölkerung, sich abschotten zu wollen. Sie unterstreicht jedoch, dass Weltoffenheit für ein kleines Land wie die Schweiz sehr wichtig sei. Deshalb sei die Schweiz auf gute Zusammenarbeit mit anderen Ländern angewiesen. «Heimat und Tradition sind wichtig, doch in der Welt wartet niemand auf uns.» Internationale Netzwerke müssten gepflegt werden und das gehe nun mal nicht am Jodlerfest.
Doris Leuthard wünscht sich ausserdem, dass die Bevölkerung wieder mehr zu schätzen lernt, was die Schweiz zu bieten hat. Das gehe allerdings leichter, wenn man vergleichen könne. Deshalb ermuntert sie besonders die jungen Menschen, den Mut zu haben, im Ausland zu studieren und Arbeitserfahrungen zu sammeln, um diese anschliessend in der Schweiz einzubringen.
Ein Rahmenabkommen mit der EU bis Ende Jahr: Aussenpolitisch bestehe das grösste Projekt im Abschluss eines Rahmenabkommens mit der Europäischen Union. Dieses Dossier blockiere seit drei Jahren den bilateralen Weg, soll jedoch ein baldiges Ende haben. Der Bundesrat sei nach wie vor entschlossen, die besten Bedingungen für die Schweiz auszuhandeln.
Ein wichtiger Punkt sei die Rechtsprechung, Stichwort «fremde Richter». Einige Dossiers seien jedoch bereits unterschriftsreif. Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, komme im Oktober in die Schweiz. Danach plane der Bundesrat, das Abkommen in groben Zügen bis Ende Jahr fertig verhandelt zu haben. Bis zur Endfassung dauere es dann nochmal zirka ein Jahr. Der Rücktritt von Aussenminister Didier Burkhalter verzögere die Verhandlungen nicht, da der Gesamtbundesrat sich bereits auf die EU-Strategie geeinigt habe.
Leistungen und Herausforderungen der Schweiz im 21. Jahrhundert: Die grossen Leistungen der Schweiz seien heutzutage vielleicht nicht alle so sichtbar wie beispielsweise der Gotthardbasistunnel, meint die Bundespräsidentin. Doris Leuthard sieht in der Bereitschaft der Schweizer Bevölkerung sich ehrenamtlich für Schwächere einzusetzen jedoch eine der grossen Leistungen des 21. Jahrhunderts.
Eine andere bemerkenswerte Errungenschaft sei die technische Innovation, die an den hiesigen Hochschulen und in den Schweizer Unternehmen gefördert werde. Die Schweiz spiele schon heute in der oberen Liga mit, zum Beispiel in der Entwicklung von Robotern oder Drohnen. Man müsse jedoch dranbleiben, um weiterhin Erfolg zu haben. Die Bundespräsidentin ermuntert die Menschen, mutig zu sein und sich zu trauen, sich in den neuen Technologien aus- beziehungsweise weiterbilden zu lassen.
Bedrohtes Milizsystem: Die Schweizer Demokratie lebt davon, dass sich Bürger freiwillig in der Politik engagieren. Dieses Milizsystem ist allerdings bedroht, da sich immer weniger Menschen in der Lokalpolitik einsetzen. Die Bundespräsidentin erklärt diese Entwicklung mit der stärker werdenden öffentlichen Sichtbarkeit politisch engagierter Menschen.
Durch die sozialen Medien sei ein Lokalpolitiker der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Sie spüre selbst, dass der Ton rauer werde und dass Autoritäten nicht mehr gleich stark wie früher respektiert würden. Deshalb appelliert sie an die Bevölkerung, Politikern mehr Wohlwollen entgegenzubringen, da sie die Basis für die Schweizer Demokratie bildeten.
Persönliche Zukunft: Doris Leuthard plant trotz Didier Burkhalters Rücktritt keinen Departementswechsel. Die Leitung des UVEK sei für sie noch immer eine spannende Aufgabe und ein Privileg. Trotzdem sei dies ihre letzte Legislatur, denn sie fände es wichtig, dass der Bundesrat regelmässig frischen Wind bekäme.
Sie freue sich, sich nach der Niederlegung ihres Amtes wieder selbst um ihre Agenda kümmern zu können und mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben. Als zukünftige Aufgabe könne sie sich ein Engagement in der Freiwilligenarbeit vorstellen, um Leuten zu helfen, die es nicht so gut hätten wie wir in der Schweiz.