Die heutige Bundesratssitzung mit den Entscheiden über neue Corona-Massnahmen war voraussichtlich die letzte, die von Bundespräsident Guy Parmelin geleitet worden ist. Im Interview zum Tag spricht er darüber und die Höhen und Tiefen in seinem Präsidialjahr.
SRF News: Herr Bundespräsident, der Bundesrat hat heute schärfere Corona-Massnahmen beschlossen. Trotzdem werden Intensivstationen stärker belastet. Hat der Bundesrat zu spät gehandelt?
Guy Parmelin: Nein, wahrscheinlich nicht. Aber die Schwierigkeit mit dieser Pandemie ist es, zu sehen, wie wirksam die Massnahmen sind. Schon gehen die Fälle wieder nach unten. Es geht immer rund 10 bis 15 Tage, an denen die Fälle weiter steigen. Aber das wussten wir und haben gesagt «Passen Sie auf, wir treffen gewisse Massnahmen». Auch Unternehmen und Privatpersonen haben selber Massnahmen getroffen. Die Kantone haben in den Spitälern einen gewissen Handlungsspielraum. Aber jetzt ist es nötig, weitere Massnahmen zu treffen.
Jetzt ist es nötig, weitere Massnahmen zu treffen.
Die Omikron-Variante ist stark ansteckend. Was hat Sie trotzdem bewogen, heute weniger weit gehenden Massnahmen zu beschliessen als Sie vor einer Woche vorgeschlagen haben?
Das Wichtigste ist jetzt die Delta-Variante und man muss noch gewisse Massnahmen treffen. Das war die Analyse des Bundesrates. Bei der Omikron-Variante wissen wir, dass sie wahrscheinlich noch ansteckender ist. Aber es gibt noch viele Unsicherheiten. Wir wissen zum Beispiel nicht, ob sie schlimmer ist für Personen, die schon geimpft sind.
Aber warum warten, wenn man weiss, dass der Druck auf die Spitäler noch steigen könnte?
Man wartet, weil man auch eine gewisse Sicherheit haben muss. Es sind scharfe Massnahmen auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. Zum Beispiel die Regel mit den zehn Personen, wenn darunter jemand nicht geimpft ist. Das sind scharfe Massnahmen.
Die 10-Personen-Regel ist eine scharfe Massnahme.
Vor einem Jahr hatten Sie Grund zur Hoffnung, dass Sie der Bundespräsident sein werden, der die Schweiz aus der Krise heraus begleiten kann. Das Virus hat Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ist das frustrierend?
Ja, das ist vielleicht nicht das beste Wort. Aber ich bin natürlich enttäuscht für die Bevölkerung. Für den Bundesrat, für das Parlament und für die Kantone wäre es viel einfacher, wenn wir sagen würden, wir sind raus aus dieser Krise. Ich bin enttäuscht, aber ich hoffe, dass sich nächstes Jahr die Situation endlich verbessern wird. Vielleicht haben wir dann auch Medikamente. Man weiss, dass gewisse Medikamente sehr vielversprechend sind. Aber das ist die Situation, man muss damit leben.
Schauen wir zurück auf Ihr Präsidialjahr. Als Höhepunkt erscheint das Treffen der beiden Präsidenten Putin und Biden. Ist es das auch für Sie?
Ja, einer der Höhepunkte auf internationaler Ebene. Ich habe auch das Treffen mit dem Papst sehr geschätzt. Die UNO-Generalversammlung war ebenfalls sehr wichtig, auch für die Schweiz. Auch in der Schweiz habe ich sehr gute Momente erlebt. Manchmal waren sie dramatisch, denken Sie an die Überschwemmungen oder an den Jahrestag des Angriffs in Zug, das war auch sehr emotional. Es gab auch sehr gute Momente: am 1. August oder beim «Donnschtig-Jass».
Ich habe sehr gute Momente erlebt, manchmal waren sie dramatisch und emotional.
Viele ihrer Vorgänger sagen am Ende des Präsidialjahrs: «Ich habe gute Kontakte geknüpft, jetzt müsste ich ein zweites anhängen können». Sagen Sie das auch?
Nein, weil es sehr streng ist. Sie haben ihr Departement, die Krise. Natürlich für das internationale Netz ist das ein Nachteil. Aber ich will mich nächstes Jahr auf mein Dossier konzentrieren.
Das Gespräch führt Gion-Duri Vincenz.