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Christa Rigozzi bis Nemo – Das Netzwerk hinter der Promi-Abzocke
Aus Impact Investigativ vom 03.07.2024.
abspielen. Laufzeit 26 Minuten 56 Sekunden.

Investment-Abzocke Das geheime Netzwerk hinter den gefälschten Promi-Werbungen

Angeblich seriöse Investmentplattformen versprechen hohe Gewinne. Dahinter steckt ein Abzock-Netzwerk mit Spuren bis nach Zypern. Das zeigen Recherchen von SRF Investigativ. Leute aus der Schweiz verlieren Millionen.

«Du kommst auf diese Plattform und das sieht alles so real aus.» Das sagt Stefan Boss, Motorradmechaniker aus dem Berner Seeland. Er hat auf einer Website namens InvesaCapital 21'000 Franken eingezahlt – und nie wieder gesehen. Was er erst später realisierte: Er ist auf eine Abzockmasche hereingefallen.

Der Motorradmechaniker Stefan Boss steht in seiner Werkstatt vor einem Motorrad.
Legende: «Das war hart verdientes Geld und manchmal denke ich schon, wie konnte ich nur so blöd sein? Aber diese Telefonberater sind so glaubwürdig und bestimmt aufgetreten. Das wirkte so echt», so Stefan Boss im Gespräch. SRF

Die Recherchen von SRF Investigativ zeigen nun: Es gibt ein ganzes Netzwerk solcher Plattformen, die Kunden zu immer höheren Investitionen drängen. Die Fäden laufen in Zypern zusammen. 

Eine gefälschte Promi-Werbung steht am Anfang der Abzockmasche. Auch bei Motorradmechaniker Stefan Boss. Er sei über eine Fake-Werbung mit Stefan Büsser auf InvesaCapital gestossen. Es hätte auch eine mit Roger Federer sein können, der angeblich im Gefängnis sitzt, oder Christa Rigozzi mit einem falschen blauen Auge.

Die Prominenten haben nichts damit zu tun, ihre Bilder werden missbräuchlich verwendet, angebliche Interviews sind gefälscht. Solche Anzeigen mit Schweizer Prominenten, die für angeblich lukrative Anlagemöglichkeiten werben, überfluten seit Monaten die sozialen Medien.

Seit dem Erfolg am Eurovision Songcontest wird auch Nemo häufig für solche Fake-Werbungen missbraucht.
Legende: Seit dem Erfolg am Eurovision Song Contest wird auch Nemo häufig für solche Fake-Werbungen missbraucht. Diese suggerieren oft, dass der abgebildeten Person etwas zugestossen sei, weil sie ein angebliches Geheimnis, wie man leicht Geld verdienen könne, ausgeplaudert habe. Facebook (bearbeitet von SRF)

Stefan Boss ist nicht allein. Zu InvesaCapital gibt es auf dem Online-Bewertungsdienst Trustpilot zahlreiche negative Bewertungen. Viele Nutzerinnen und Nutzer werfen der Plattform Betrug und Abzocke vor. Bei den angeblichen Investmentplattformen OBRInvest, ForexTB, Inefex und InvestMarkets zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch Investous und 24Option, welche mittlerweile offline sind, kommen schlecht weg.

Das Netzwerk von noch aktiven Investmentplattformen, welche SRF Investigativ aufgedeckt hat.
Legende: Das Netzwerk von noch aktiven Investmentplattformen, das SRF Investigativ aufgedeckt hat. SRF

SRF Investigativ hat mit drei ehemaligen Mitarbeitern von diesen Plattformen gesprochen. Die Insider bestätigen, dass das Ziel lediglich sei, die Kundschaft am Telefon so zu manipulieren und unter Druck zu setzen, dass diese immer mehr Geld einzahlen. «Wer so doof ist, hier zu investieren, der hat nichts anderes verdient, als abgezockt zu werden. Das war immer der Spruch des Chefs», so beschreibt einer der Insider die Atmosphäre an seinem damaligen Arbeitsort.

Wie funktioniert die Abzockmasche?

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Die Fake-Anzeigen mit Prominenten führen auf gefälschte Artikel von Schweizer Medienhäusern, die echten Medieninhalten zum Verwechseln ähnlich sehen. Über diese gefälschten Newsartikel kann man sich für eine angebliche Investmentplattform anmelden, wo einfach zu realisierende grosse Gewinne versprochen werden. Typischerweise wird man unmittelbar nach der Registrierung telefonisch aufgefordert, 250 Franken einzuzahlen.  

Viele Betroffene erzählen, dass sie anfangs tatsächlich scheinbar grosse Gewinne gemacht haben, welche sie sich aber nicht auszahlen lassen konnten. Die Investition würde letztlich häufig im Totalverlust enden. Oft ist den Opfern nicht klar, dass das Geld nicht an der Börse investiert wird, sondern dass es sich um hochspekulative Finanzwetten handelt. Was genau hinter den Kulissen passiert, ist nicht nachvollziehbar. Anders als in den Fake-Anzeigen versprochen, gibt es keine reale Chance auf Gewinn. Mit häufigen Anrufen und manipulativen Gesprächstechniken üben die angeblichen Broker am Telefon Druck auf ihre Opfer aus, immer mehr einzuzahlen.  

Allein in der Deutschschweiz bestätigen Staatsanwaltschaften dutzende Strafanzeigen im Zusammenhang mit den angeblichen Investmentplattformen des Netzwerks aus Zypern – die angezeigten Schadenssummen betragen oft mehrere Zehntausend Franken, in einigen Fällen über Hunderttausend Franken. Doch die Verfahren werden häufig sistiert, da die Täter im Ausland sitzen und von den Behörden nicht identifiziert werden können. 

Wie gross ist der Schaden?

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Nicht nur das Netzwerk aus Zypern geht nach diesem Muster vor. Es gibt hunderte solcher Plattformen. Allein im letzten Jahr haben Abzock-Plattformen Menschen in der Schweiz gemäss Strafanzeigen um 142.6 Mio. Franken erleichtert. Das zeigen Daten des Polizei-Netzwerks digitale Ermittlungsunterstützung Internetkriminalität (NEDIK). 

Das dürfte nur ein Bruchteil des Schadens sein, Strafverfolgungsbehörden gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. Viele Betroffene würden sich schämen, dass sie auf eine solche Masche hereingefallen sind und erstatten keine Anzeige. 

SRF Investigativ hat sieben Plattformen identifiziert, die nahezu identisch aufgebaut sind: Inefex, InvesaCapital, InvestMarkets, ForexTB, OBRInvest, Investous und 24Option. Auf den Webseiten sind gleiche Textbausteine und Designs zu sehen. Auch im zyprischen Handelsregister gibt es eindeutige Verbindungen bei den Firmen dahinter. Zwei Personen tauchen immer wieder auf, welche bei den Plattformen verschiedene Funktionen innehaben.

Die Menüleisten der noch aktiven Plattformen sind nahezu identisch.
Legende: Die Menüleisten der noch aktiven Plattformen sind nahezu identisch. Die Webseiten sind auch aus den gleichen Textblöcken zusammengesetzt. SRF

Auf allen Plattformen des Netzwerks gibt es Warnhinweise, dass es sich um hochriskante Finanzwetten handle und dass sie keine Empfehlungen zum Kauf von Finanzprodukten geben würden. Das steht jedoch in starkem Kontrast zu den Versprechen in den Fake-Promi-Anzeigen und den von Betroffenen geschilderten Telefongesprächen, in denen diese zu Investitionen gedrängt werden. SRF Investigativ wurde bei einem Selbstversuch unter falschem Namen auch zu höheren Investitionen gedrängt. Nach Auflösung der verdeckten Recherche hat die Plattform jedoch die Investition inklusive Gewinn zurückerstattet. 

SRF Investigativ hat alle Plattformen mit Vorwürfen zu den Geschäftspraktiken und der Zugehörigkeit zum Netzwerk konfrontiert. Trotz mehrfacher Nachfragen antwortete keine der Plattformen auf die Anfragen. Die im Handelsregister eingetragenen Personen beantworteten keine Fragen.  

Immer neue Abzock-Plattformen

Wenn es negative Berichterstattung oder Verfahren zu einer Plattform gibt, scheint das Netzwerk neue Webseiten mit beinahe identischem Geschäftsmodell zu gründen und lässt alte teilweise verschwinden. Das zeigt sich exemplarisch am Fall von 24Option – an einem der Plattformen aus dem Netzwerk, die inzwischen offline ist. Zwei ehemalige Mitarbeiter dieser Plattform wurden letztes Jahr in Deutschland wegen gewerbsmässigem Betrug verurteilt.     

Der Fall 24Option

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24Option war in ganz Europa aktiv, gab sich einen seriösen Anstrich und war sogar offizieller Partner des Fussballklubs Juventus Turin. 

Nach einer investigativen Recherche der ARD flog 24Option auf. Es folgten Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Zwei Mitarbeiter wurden vom Landgericht Köln zu Haftstrafen verurteilt. Das Gericht schreibt, dass die Angeklagten ihre Kunden über das Verlustrisiko getäuscht hätten und dass die Kundenbeziehung darauf ausgelegt gewesen sei, die Kunden zu schröpfen. Das Urteil liegt SRF Investigativ vor. 

Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigt, dass sie immer noch gegen Dutzende Beschuldigte im Zusammenhang mit 24Option ermittelt. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. 

K.C. Firiakis Services Ltd. – das Management des Netzwerks?

Geschäftsführer von 24Option war ein Geschäftsmann, laut Handelsregister wohnhaft in Zypern. Er ist auch zentral für das von SRF identifizierte Netzwerk von Plattformen.

Das Netzwerk der Abzocker-Investment-Plattformen. Links unten der Geschäftsmann, bei dem die Fäden zusammenlaufen.
Legende: Das Netzwerk der Abzocker-Investment-Plattformen. Links unten der Geschäftsmann, bei dem die Fäden zusammenlaufen. SRF

Der Geschäftsmann ist auch Eigentümer der K.C. Firiakis Services Ltd. in Zypern. Auf LinkedIn beschrieben ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Tätigkeiten für diese Firma sehr detailliert. Diese Beschriebe zeigen, dass diese Firma in Zypern für das Abzocker-Netzwerk essenziell ist. 

K. C. Firiakis baut demnach auch neue Abzock-Plattformen auf, definiert für diese Umsatzziele und koordiniert ins Netzwerk involvierte Firmen und Personen. 

Gegenüber SRF Investigativ streitet K. C. Firiakis Services Ltd. die Vorwürfe als «unbewiesene falsche Anschuldigungen» ab. Die Firma sei nicht in ein Netzwerk involviert und würde auch nicht alle diese Plattformen kennen. Ebenso wenig sähe K.C. Firiakis in die internen Prozesse der Plattformen. Betrug würden sie nicht tolerieren. Zur Verbindung mit 24Option heisst es, dass K.C. Firiakis eine eigenständige Firma sei und nichts mit 24Option zu tun habe. Die personellen Überschneidungen im Handelsregister kommentiert die Firma damit, dass dies nichts beweise und Zypern ein kleines Land sei. Der Eigentümer von K.C Firiakis Services hat auf Anfragen von SRF Investigativ nicht reagiert. 

Wo das Geld aus der Abzockmasche hinfliesst und wer davon am meisten profitiert, bleibt offen.  

Der Reporter ist mit dem Motorradmechaniker im Gespräch.
Legende: «Jedes Mal, wenn ich meinen Kontostand anschaue, dann bereue ich es. Es ist nicht so, dass wir jetzt nichts mehr zu essen haben, aber das war für die Pension vorgesehen», sagt Stefan Boss. SRF

Der Seeländer Motorradmechaniker hat sein investiertes Geld abgeschrieben. «Gegen wen soll ich denn Anzeige erstatten, gegen InvesaCapital? Gibt es das überhaupt?»

Diese Recherche zeigt: Die Abzockmasche geht weit über einzelne Plattformen hinaus – es handelt sich um ein ganzes Netzwerk. Auch ein Insider bestätigt: «Das ist diese typische Vorgehensweise. Man lässt eine Plattform gegen die Wand fahren, schliesst sie und macht eine neue auf. Das heisst, die Maschine läuft weiter, einfach unter anderem Namen.» 

Mitarbeit: Christodoulos Mavroudis

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Espresso, 03.07.2024, 08:10 Uhr;kesm

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