Auf dem Friedhof von Weinfelden treffen sich auf Einladung der «Rundschau» ein Gegner und ein Befürworter eines Grabfelds für Muslime. Die Debatte ist hitzig. Der Weinfelder SVP-Nationalrat Manuel Strupler bekämpft das geplante muslimische Grabfeld. «Für mich bedeutet Integration, dass wir alle gleich behandeln – sogar nach dem Tod», sagt der ehemalige Schwinger. Für ihn werde hier nur eine «Sonderregel» für Muslime geschaffen.
Klar anderer Meinung ist Adem Kujovic vom Dachverband islamischer Gemeinden der Ostschweiz und des Fürstentums Liechtenstein. Er hat in Weinfelden die Idee des Grabfelds mit Ausrichtung nach Mekka lanciert und wird von einem breiten Pro-Komitee unterstützt. «So können Muslime würdevoll nach ihren Ritualen begraben werden», sagt Kujovic.
Mehr muslimische Beerdigungen
Immer mehr Muslime würden in der Schweiz bestattet und liessen sich nicht mehr in ihre Heimat zurückführen. Das sagt der muslimische Bestatter Zübeyir Sahbaz: «Es nimmt zu. Vor zehn Jahren waren es nur ein paar pro Jahr. Jetzt sind es ein paar Hundert.»
Insgesamt sterben in der Schweiz nach Schätzungen jährlich zwischen 1000 und 2000 Muslime. Die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz, FIDS, schätzt, dass rund die Hälfte in der Schweiz begraben wird. Die Tendenz sei steigend.
Zübeyir Sahbaz beerdigt nur Muslime. Die «Rundschau» begleitet ihn zu einer Beerdigung im Baselbiet. Ein verstorbener Muslim wird im Friedhof direkt neben Christen beigesetzt. Ein eigenes Grabfeld für Muslime gibt es hier nicht. Für einige Gläubige sei das ein Problem, sagt Sahbaz: «Man hat ein schlechtes Gewissen und glaubt, dass man nicht ins Paradies kommt.» Die Witwe des Verstorbenen sagt uns, sie wäre glücklicher, wenn ihr Mann in einem muslimischen Grabfeld liegen würde.
Unterschriften gegen Grabfeld
Viele Muslime möchten nach islamischer Tradition beerdigt werden, erklärt Bestatter Zübeyir Sahbaz. Er fordert, dass alle Gemeinden muslimische Grabfelder zur Verfügung stellen: «Das ist wirklich nicht schwierig umzusetzen.» In der Schweiz gibt es heute über 30 muslimische Grabfelder. Vielerorts ist der Widerstand gering. Doch in Weinfelden sind innert wenigen Tagen fast 1'000 Unterschriften dagegen zusammengekommen.
Das Referendum lanciert hat EDU-Stadtparlamentarier Lukas Madörin. Wir besuchen ihn in seinem Gemüseladen mitten in der Stadt. Der Gemeindefriedhof sei eine staatliche Angelegenheit, sagt er. Da hätten Religionen nichts zu suchen. «Es ist stossend, dass auf einmal eine Religion im Friedhofsreglement erwähnt wird», erklärt Madörin.
Muslime enttäuscht
Adem Kujovic ist über das Referendum enttäuscht: «Jetzt fragt man sich: Wird man nicht akzeptiert? Ist man immer noch fremd, obwohl man hier geboren und aufgewachsen ist?» Er habe das Grabfeld in Weinfelden initiiert, weil das Bedürfnis in der muslimischen Gemeinschaft vorhanden sei.
Zum Freitagsgebet versammeln sich mit Kujovic rund 80 Muslime aus der ganzen Region jede Woche in der Moschee. Imam Muaz Yilddiz sagt nach dem Gebet gegenüber der «Rundschau»: «Wir sind eine Religionsgemeinschaft, die gemeinsam durch die Zeit des Lebens geht. Und wir möchten die Gemeinschaft auch nach dem Tod pflegen.»
Mitte Mai stimmt Weinfelden über das neue Grabfeld ab.