Was ist passiert? Wer zum Beispiel wiederholt ohne gültiges Billett im Zug erwischt wird, bekommt eine Strafanzeige und muss eine Busse zahlen. Eigentlich. Eine Software macht der Berner Kantonsverwaltung aber Probleme, insbesondere wenn es darum geht, diese Bussen einzukassieren. Die Konsequenz der IT-Probleme: Säumige Zahlerinnen und Zahler konnten im vergangenen Jahr nicht gemahnt werden und sie konnten auch nicht zu einer sogenannten Ersatzfreiheitsstrafe aufgeboten werden. Das Busseninkasso sei stark erschwert und teilweise gar nicht mehr möglich gewesen, heisst es im Tätigkeitsbericht der Justizbehörden.
Warum ist das wichtig? Wer seine Busse nicht zahlen kann oder will, muss ins Gefängnis. Wer aber hat seine Busse überhaupt schon bezahlt? Wer muss gemahnt oder betrieben werden? Wer muss ins Gefängnis? Weil die Software klemmt, hinken der Kanton und die Justiz bei diesen Fragen massiv hinterher. Es sei «in einzelnen Fällen» bereits zu Verjährungen gekommen, zitiert die «Berner Zeitung» den Kanton. Etliche weitere Kleindelikte drohen zu verjähren – und säumige Zahlerinnen und Zahler könnten straflos davon kommen.
Was ist über das Ausmass bekannt? Mit wie vielen Verjährungen insgesamt zu rechnen ist, weiss im Moment niemand. Klar ist aber, dass die Zeit drängt. Denn viele Ersatzfreiheitsstrafen verjähren in der Regel nach drei Jahren. Im Kanton Bern werden jedes Jahr 4400 Kurzstrafen vollzogen, so die «Berner Zeitung». Dass noch mehr säumige Zahler straflos davonkommen, gelte es zu vermeiden, sagt André Roggli, Präsident der Sicherheitskommission des Berner Kantonsparlaments, auf Anfrage von SRF. «Wir müssen alles daran setzen, dass diese Strafen auch vollzogen werden. Sonst verlieren wir das Gesicht. Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein.» Wer sich nicht ans Gesetz halte, solle auch entsprechend bestraft werden.
Vor dem Gesetz müssen alle gleich sein.
Was ist das Problem? Der Kanton Bern hat von einem eigenen Informatiksystem auf ein weit verbreitetes System für Finanz- und Rechnungswesen gewechselt. «Nach der Umstellung haben wir schnell gemerkt, dass das neue System gewisse komplexe Prozesse nicht genügend abbildet», so die Berner Finanzdirektorin Astrid Bärtschi gegenüber SRF. Bussgelder einzuziehen, sei ein sehr komplexer Prozess. «Viele Stellen und Ämter sind involviert. Etwa die Justiz, die Steuerverwaltung, das Konkursamt.» Diese Komplexität sei bei der Umstellung auf das neue System unterschätzt worden, so die Finanzdirektorin. Viele Arbeiten, die zuvor automatisiert abliefen, müssen nun manuell ausgeführt werden. Darum wurde befristet Personal aufgestockt.
Wie geht es weiter? Gemäss Finanzdirektorin Astrid Bärtschi soll sich die Situation bald bessern. Die Bedürfnisse der involvierten Stellen seien erkannt und die Software werde angepasst. «In den nächsten Monaten werden die Verbesserungen in Betrieb genommen.» Weitere Verjährungen zu vermeiden, ist das Ziel des Kantons. Dazu gehört auch, die Kapazitäten in den Berner Gefängnissen aufzustocken. Denn diese sind voll. Darum will der Kanton Container aufstellen lassen, wo säumige Zahlerinnen und Zahler ihre Kurzstrafe absitzen.