Unter welchen Umständen darf man mutmassliche Terroristen interviewen? Diese heikle Frage hatte das Bundesstrafgericht in Bellinzona heute zu beurteilen. Konkret ging es um ein Videointerview mit einem islamistischen Geistlichen, das Naim Cherni vom Islamischen Zentralrat 2015 in Syrien gedreht hatte.
Im Video rief der umstrittene Geistliche muslimische Jugendliche in Europa dazu auf, sich am Dschihad zu beteiligen, also am Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen. Zu seiner Verteidigung sagte Naim Cherni, beim Interview handle es sich um Journalismus. Die Bundesanwaltschaft dagegen bezeichnete das Video als Propaganda für die Terrororganisation Al-Kaida.
Und in diesem Hauptpunkt ist das Gericht nun der Anklage gefolgt. Es hielt fest: Ja, dieses Video ist verbotene Propaganda. Zum Schuldspruch gegen Naim Cherni kam es, weil sich der Angeklagte im halbstündigen Gespräch nie von den hetzerischen Aussagen des Geistlichen distanzierte, also keine journalistische Haltung einnahm. So die Begründung der Richter.
Formale Gründe führen zu Freisprüchen
Die Bundesanwaltschaft kann also einen Erfolg verbuchen, weil es ihr gelungen ist, das Bundesstrafgericht in diesem zentralen Punkt zu überzeugen. Dieser Erfolg wird hingegen getrübt durch die beiden Freisprüche für die beiden Mitangeklagten. Hier fällt das Urteil der Richter für die Bundesanwaltschaft ziemlich verheerend aus: Bei den Mitangeklagten sei die Anklage ungenau formuliert und nicht schlüssig gewesen. Der Grund für die Freisprüche ist also kein inhaltlicher, sondern ein formaler.
Was bleibt vom Prozess gegen drei Vertreter des Islamischen Zentralrats? Es bleiben vor allem einige Fragezeichen: Entscheidet am Ende die Gesinnung eines Interviewers darüber, wie ein Interview beurteilt wird? Wurde Naim Cherni also verurteilt, weil er eine ähnliche Gesinnung hat wie der islamistische Geistliche in Syrien? Wird hier nicht ein heikler Präzedenzfall geschaffen? Solche Fälle zu beurteilen, bleibt ein schwieriger Balanceakt für die Gerichte.