Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich ausgerechnet der Präsident des mächtigen Bündner Patentjägerverbands für Reformen bei der Jagd ausspricht. In der neusten Ausgabe des Verband-Magazins wagt es Präsident Tarzisius Caviezel trotzdem: «Braucht es eine Anpassung des Bündner Jagdsystems?», schreibt er im Editorial – und beantwortet die Frage gleich selbst: «Nach meiner Beurteilung: Ja.»
Die Jagd hat sich verändert
Geht es um die Bündner Jagd, kommen – wie an andern Orten auch – viele Themen zusammen: Es geht um Tradition, Freiheit und Abenteuer, aber auch um zu viel Wild, verbissene Schutzwälder, Klimawandel und gar ethische Fragen. Klar ist: Die Jagd hat sich verändert, vor allem, weil sich die Natur verändert hat. So wurde das Bündner Jagdgesetz einst erlassen, um die Wildbestände, die durch Wilderei und Willkür zerstört wurden, wieder aufzubauen.
Heute sei die Situation eine andere, sagt Tarzisius Caviezel. Die Wildbestände seien hoch, das Wild verbeisse im Wald die jungen Bäume und der Schutzwald werde so geschwächt. Ausserdem verhalte sich das Wild seit der Rückkehr des Wolfes anders. Mit dem jetzigen System gelinge es den Jägerinnen und Jägern kaum mehr, jene Abschusszahlen zu erreichen, die der Kanton vorgebe. Mittlerweile erreichten die Bündner Jägerinnen und Jäger während der Hochjagd nur noch etwa die Hälfte des Abschussziels für Hirsche. Den Rest versuche man während der Herbstjagd, also einer Sonderjagd, nachzuholen. «Dieser Ansatz ist verkehrt», sagt Caviezel.
Die Bündner Jägerinnen und Jäger sollen deshalb nun über eine Reform der Jagd nachdenken: Wie sie neu organisiert oder ob sie verlängert werden oder ob etwa Rehe und Hirsche gleichzeitig gejagt werden könnten. Caviezel stösst die Debatte gleich selbst an: «Was spricht gegen eine gestaffelte und regional justierte Hochjagd ab dem Monat August bis in den Dezember?», fragt er.
Patentjagd nicht antasten
Gleichzeitig hat er aber eine klare rote Linie, die er nicht überschreiten will: «Es geht nicht darum, die Patentjagd generell infrage zu stellen. Diese darf nicht angetastet werden.» So soll man also weiterhin ein Patent beantragen und überall im Kanton jagen können. Jetzt soll die Jägerschaft gemeinsam mit den Fachleuten vom Kanton Vorschläge ausarbeiten. Der zuständige Regierungsrat Mario Cavigelli sagt, im Amt für Jagd und Fischerei seien die Leute offen für Reformen.
Tatsächlich sind die Diskussionen nicht neu. Alleine in den letzten drei Jahren forderten zwei Volksinitiativen Reformen bei der Bündner Jagd. Beide Male wehrte sich der Bündner Patentjägerverband vehement – und setzte sich für den Status Quo ein. Doch die Initiativen hätten Diskussionen angestossen, ausserdem komme von den Försterinnen und Förstern immer mehr Druck, sagt Caviezel. Die Zeit sei nun reif für Änderungen im Jagdmodus.
Jagd auch in anderen Kantonen ein Thema
Zu viel Wild, das dem Schutzwald schadet und unerfüllte Abschussziele kennen auch andere Kantone. Änderungen dürfte es aber derzeit kaum geben. Obwohl etwa der Kanton Wallis nur noch «periodische Jagdbeschlüsse» erlässt, sprich die Anzahl und Art der bejagten Tiere für eine Saison festlegt, ändert sich am Modus kaum etwas. Es wird weiterhin eine Hochjagd im September geben und – falls nötig – eine Nachjagd im November.