Der Aufschrei war riesig, als im Februar an der Bergstation Pischa ein Schild hing, das darauf hinwies, dass man keine Schlitten mehr an jüdische Gäste vermiete. Medien aus der ganzen Welt berichteten über das Ereignis. Nach dem Vorfall entschuldigte sich der Betreiber des Bergrestaurants: Das Schreiben sei falsch formuliert gewesen.
Damit Davos – eine beliebte Feriendestination für orthodoxe Juden – nicht mehr mit Antisemitismusvorwürfen konfrontiert wird, hat eine Taskforce aus verschiedenen Parteien aus der Politik, dem Tourismus und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zehn Massnahmen erarbeitet.
Früherer Spitzendiplomat leitete Taskforce
Die Massnahmen seien das Resultat zahlreicher Gespräche mit Einheimischen, Vertretern von Gästegruppen und Rabbinern von jüdisch-orthodoxen Gemeinden, schreibt die Taskforce «Verständigungsprozess in Davos» in einer Mitteilung. «Davos soll weiterhin ein attraktiver, weltoffener und internationaler Ort der Begegnung und Erholung sein.»
Geleitet wurde die Taskforce vom früheren Diplomaten Michael Ambühl zusammen mit Juristin Nora Meier. Weiterer Teil der Taskforce waren der Davoser Landammann Philipp Wilhelm, der Tourismusdirektor von Davos, Reto Branschi, sowie drei Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft, darunter der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Jonathan Kreutner.
Ombudstelle und Leitlinien für Tourismus-Betriebe
Eine der Massnahmen ist der Ausbau des Vermittlungsprojekts Likrat Public des SIG. Dieses Projekt zielt darauf ab, kulturelle Vermittlung zwischen jüdisch-orthodoxen Gästen aus dem Ausland und einheimischen Hoteliers zu fördern.
Vor allem ist ein System erforderlich, das im Fall eines Missverständnisses oder Konflikts abgerufen werden kann, um zu deeskalieren.
Der Grossteil der anderen neun Massnahmen zielt ebenfalls in diese Richtung: Überarbeitung des Informationsmaterials, Pflege der jüdischen Geschichte in Davos und die Schaffung einer Ombudsstelle für eventuelle Konfliktfälle. Zudem erhalten Tourismusbetriebe in Davos allgemeine Leitlinien, an denen sich die Betriebe in ihrem Umgang mit Gästen aus aller Welt orientieren können.
Einschätzung von SRF-Kulturredaktorin
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Die negativen Schlagzeilen über Antisemitismus waren für Davos ein Weckruf. Um den Ruf zu retten und für jüdisch-orthodoxe Gäste attraktiv zu bleiben, mussten die Verantwortlichen aktiv werden. Die nun vorgestellten Massnahmen sind ein erster Schritt. Mehr Wissen hilft, um Missverständnissen vorzubeugen. Eine Ombudsstelle im Konfliktfall kann verhindern, dass es zu vorschnellen Aktionen kommt. Dass die Gemeinde und der Tourismusverband willig sind, dafür auch Geld in die Hand zu nehmen, ist ein gutes Zeichen. Dass sie dafür mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund zusammenarbeiten, ebenfalls.
Allerdings ist Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es ist einfach, schlechte Erfahrungen mit einzelnen jüdisch-orthodoxen Personen auf die gesamte Gruppe zu projizieren. Antisemitische Vorurteile, etwa vom angeblich «schmutzigen Juden», sind tief verankert und schnell zur Hand. Ob Informationsbroschüren und eine Anlaufstelle hier schnell Abhilfe schaffen können, ist fraglich. Im Idealfall sind sie aber der Anfang eines langfristigen Prozesses.
Nicole Freudiger
Die neue Strategie soll auf allen Seiten sensibilisieren, sagt der Davoser Landammann Philipp Wilhelm gegenüber dem Regionaljournal Ostschweiz und Graubünden. «Vor allem ist ein System erforderlich, das im Fall eines Missverständnisses oder Konflikts abgerufen werden kann, um zu deeskalieren.» So sollen Situationen verhindert werden, wie sie sich in der Vergangenheit in Davos abspielten.
«Mit dem Massnahmenkatalog, den man jetzt hat, hat man die Gelegenheit und die Möglichkeit, dass alle mehr wissen», erklärt der Generalsekretär des SIG, Jonathan Kreutner. Man schaffe mehr Wissen für die jüdischen Gäste, aber auch die lokale Bevölkerung. Weiter könne man mit der neuen Strategie Konflikte lösen, ohne zu pauschalisieren oder zu diskriminieren.
Man schaffe ausserdem eine Möglichkeit, sich an bestimmte Personen zu wenden, beispielsweise an einen Rabbiner, der in Konfliktsituationen beratend zur Verfügung stehe, erklärt Kreutner. Einerseits als Autoritätsperson für jüdisch-orthodoxe Gäste und andererseits, um der lokalen Tourismusorganisation zu erläutern, warum etwas aus religiöser Sicht problematisch sein könnte.
Für den Davoser Tourismusdirektor, Reto Branschi, ist es besonders wichtig, dass für die erfolgreiche Umsetzung der neuen Strategie mehr Personen an der richtigen Stelle eingesetzt werden. «Das ist ein himmelweiter Unterschied zu dem, was wir bisher hatten.» Neu würden die Vermittler an den neuralgischen Punkten eingesetzt.
Die zehn Massnahmen
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Für die Gäste in Davos soll während den Sommerwochen eine zentrale Anlaufstelle geschaffen werden, bei der Informationen und andere Dienstleistungen erhältlich sind.
Rabbiner werden im Hintergrund eine beratende Rolle einnehmen. Bei Bedarf können die Rabbiner auch Ansprechpersonen für die Davos Destinations-Organisation sein.
Das Sommerprojekt von Likrat Public, ein Dialog- und Präventionsprogramm des SIG, wird am Standort Davos mit Unterstützung lokaler Organisationen ausgebaut. Im Sommer 2024 werden mehr Vermittler eingesetzt, die die jüdisch-orthodoxe Lebensweise gut kennen.
Für Gäste und Einheimische werden überarbeitete Informationsmaterialien erstellt, die auf gewisse Verhaltensregeln für und spezifische Anliegen von Gästen während den Sommerwochen aufmerksam machen.
Um Gäste schon vor ihrer Ankunft in der Schweiz zu erreichen, wird mittel- und langfristig ein breiteres Netzwerk von ausländischen Akteurinnen (relevante Aussenministerien und Medien) aufgebaut und einbezogen.
Durch spezifische historische Arbeiten soll in Davos die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte vor Ort vertieft werden.
Die jüdische Geschichte soll in Davos gepflegt werden. Mit Anlässen zur Vermittlung historischer Hintergründe zur jüdischen Geschichte und zur Auseinandersetzung mit interkulturellen Fragestellungen bietet sich der Kulturplatz Davos als Plattform für den Dialog an.
Die Gemeinde Davos und die Davos Destinations-Organisation überprüfen laufend die bestehende touristische Infrastruktur (inkl. ÖV) auf ihre Kapazitäten und Auslastung.
Für Tourismus-Betriebe in Davos werden allgemeine Leitlinien verabschiedet, an denen sich die Betriebe in ihrem Umgang mit Gästen aus aller Welt orientieren können.
Neben ihrer Funktion als reguläre Gästeberatungsstelle übernimmt die Davos Destinations-Organisation bei Bedarf auch die Funktion einer Ombudsstelle für Tourismus-Betriebe.
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