Weltweit sind Tausende von Klimaklagen gegen Regierungen und Unternehmen hängig, darunter drei Musterklagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es gibt Bestrebungen, Ökozid als internationales Verbrechen im Römer Statut aufzunehmen.
Und auch die «normalen» Mittel des Rechts werden genutzt: In der Schweiz beispielsweise geht die Umweltorganisation Greenpeace mit Mitteln des Raumplanungsrechts gegen einen geplanten Schlachthof im Kanton Freiburg vor, weil dieser klimaschädlich sei. Sibilla Bondolfi, Gerichtskorrespondentin von SRF, erklärt, warum Klimaklagen keine Modeerscheinung sind.
Warum greifen NGOs immer häufiger zu Mitteln des Rechts?
Der Zivilgesellschaft mahlen die Mühlen der Klimapolitik zu langsam. Von den Gerichten erhoffen sie sich schnelle Entscheide mit Signalwirkung. Gerichtsurteile könnten gesellschaftliche Debatten anstossen und Druck auf Regierungen und Unternehmen ausüben.
Laut Daniel Hitzig von Greenpeace Schweiz haben Gerichte den Vorteil, dass sie unabhängig und neutral sind: Im Unterschied zu Regierungen müssten sie nicht die Staatsausgaben im Auge behalten oder Wählerinnen und Wähler zufriedenstellen; und es gebe auch keinen Lobbyismus. Greenpeace erhofft sich davon Entscheide, die im Sinne des Klimaschutzes ausfallen.
Ist dieser Trend problematisch?
Man kann den Griff zum Recht tatsächlich auch kritisch sehen: Das Pariser Abkommen verpflichtet zwar alle Staaten dazu, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, aber wie sie das tun wollen, wäre eigentlich Gegenstand der Politik und müsste demokratisch ausgehandelt werden.
Wenn sich Gerichte mit Urteilen, die keinen demokratischen Prozess durchlaufen, in diese Debatte einmischen und die Politik quasi überholen, wird möglicherweise die Gewaltenteilung geritzt und die Justiz politisiert. Die Justiz hat auch einen handfesten Nachteil: Gerichte entscheiden immer über einen Einzelfall. Beim Klimaschutz gibt es aber verschiedene Lösungsansätze. Die Gerichte können in einem einzelnen Urteil keine differenzierten politischen Lösungen ausarbeiten.
Was bringt die Zukunft?
Es wird erwartet, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nächstes Jahr einen Leitentscheid fällt zur Frage, ob ein zu lasches Vorgehen der Staaten gegen den Klimawandel die Menschenrechte verletzt. Dies hätte nicht nur eine grosse Signalwirkung, sondern könnte weiteren Klagen den Weg ebnen. Der Trend zu strategischen Klagen jedenfalls wird sich laut Johannes Reich, Professor für Umweltrecht an der Universität Zürich, fortsetzen; er sei mehr als eine vorübergehende Modeerscheinung.