Die Information hat eingeschlagen wie eine Bombe. Der F-35 des Anbieters Lockheed Martin soll der Favorit sein, und das auch noch kostenmässig. Die drei Konkurrenten Airbus, Dassault und Boeing sind sich einig: Das kann nicht sein.
Auch unabhängige Experten und Schweizer Industrievertreter können es sich nur schwerlich erklären. Einer sagt es so: Lockheed Martin müsse ein «Schweine-Angebot» gemacht haben.
Die Teams aller Kampfjet-Anbieter sind nach Bern angereist, um hier den Typenentscheid des Bundesrates abzuwarten. In den Berner Cafés rätseln sie jetzt, wie der F-35 dieses Kunststück geschafft hat.
Durch Simulatoren Kosten drücken?
Alle drei Anbieter stürzten sich als mögliche Erklärung auf ein Detail, das kurz in der NZZ und auch in der Rundschau von SRF erwähnt wurde. Wegen seines Simulatorensystems brauche der F-35 wesentlich weniger Flugstunden als ein herkömmlicher Jet, schrieb zum Beispiel die NZZ. Im Klartext heisst das: Die zukünftigen Schweizer F-35-Pilotinnen und -Piloten würden vermehrt am Boden im Simulator üben anstatt in der Luft.
Ein Vertreter einer Konkurrenzfirma sagt zynisch, mit dem Gripen wollte die Schweiz einen Papierflieger kaufen, mit dem F-35 kaufe sie einen Simulatorenflieger.
Amerikanischer Kongress bemängelt Kosten des F-35
Dass der F-35 der günstigste im langfristigen Einsatz sein soll, kommt aber auch für viele unabhängige Industrie-Beobachter überraschend. Denn die USA sind transparent über die Kosten und technischen Probleme des F-35. Immer wieder ist bei Hearings im amerikanischen Kongress der F-35 ein Thema. Auch der Rechnungshof bemängelt in regelmässigen Abständen die Kosten und das nicht genügend funktionierende Ersatzteilsystem. In einem Hearing des Repräsentantenhauses war im November 2019 die Rede davon, dass die Flugstunde eines F-35 44'000 Dollar koste, die des FA-18 E/F – der auch der Schweiz angeboten wird – 25'000 Dollar.
Lockheed Martin hat öffentlich immer wieder betont, die Firma wolle die Betriebskosten auf 25'000 Dollar pro Flugstunde reduzieren bis Mitte der 2020er-Jahre. Wie verschiedene Beobachter betonen, basiere diese Angabe auf einem Preisindex aus dem Jahre 2012. Berechne man die Inflation mit ein, würde es heute eher auf 30'000 Dollar hinauslaufen. Lockheed Martin selbst wollte aktuell zu den Flugstunden-Kosten nicht direkt Stellung nehmen.
Die Vertreter von Boeing, Dassault und Airbus betonen, sie hätten sich klar an die Vorgaben zu den effektiven Flugkosten-Berechnungen der Armasuisse gehalten, der Rüstungsbeschaffungsbehörde des Bundes. Und da hätte es keinen Spielraum gegeben. Wenn auch sie aufgefordert worden wären, zusätzliche Simulatoren-Stunden in den Flugstunden-Mix reinzurechnen, würden sie preislich auch attraktiver dastehen.
VBS schweigt zur Kostenevaluation
Nicht äussern will sich dazu das VBS. Im Vorfeld der Bundesratssitzung von nächster Woche nehme das Verteidigungsdepartement keine Stellung zur Evaluation und Gerüchten, schreibt ein Sprecher auf Anfrage.
Sollte der Bundesratsentscheid für den F-35 auf den günstigen Kosten wegen zusätzlicher Simulatoren-Stunden basieren, dann wäre definitiv Feuer im Dach. Gerade aus den Hauptstädten der europäischen Anbieter wäre dann mit scharfen politischen Reaktionen zu rechnen.
Noch hofft jeder einzelne Anbieter, dass sein Flieger in der politischen und ökonomischen Gesamtbetrachtung die definitive Landeerlaubnis in der Schweiz bekommt.