Der Bundesrat will die Beschaffungsverträge der neuen Kampfjets rasch abschliessen – noch bevor das Volk über die Initiative gegen den F-35 abstimmen kann, die genau diese Flieger verhindern will. Warum das Vorgehen dennoch demokratisch sei und wie die Schweiz sich militärisch ausrichten solle, erklärt Verteidigungsministerin Viola Amherd im Interview.
SRF: Frau Bundesrätin, Sie können den F-35 bis im Frühling 2023 kaufen und müssen die Volksabstimmung über die Stopp-F35-Initiative nicht abwarten. Ist das nicht eine Missachtung der direkten Demokratie?
Viola Amherd: Die Beschaffung der Kampfflugzeuge ist demokratiepolitisch sehr gut aufgegleist. Die Bevölkerung hat bereits darüber abgestimmt, den Kredit gesprochen und sie hat dem Bundesrat erlaubt, die Flugzeuge zu kaufen.
Demokratiepolitisch fragwürdig ist eher, wenn man vom Volk bereits legitimierte Entscheide nachträglich noch infrage stellt.
Es wurden sogar vier Typen in der Volksabstimmung erwähnt. Der Bundesrat hat nun einen dieser Typen ausgewählt, und das ist sehr demokratisch. Demokratiepolitisch fragwürdig ist eher, wenn man vom Volk bereits legitimierte Entscheide nachträglich noch infrage stellt.
Sie finden also immer noch, die Initiative müsste zurückgezogen werden.
Das ist ein Entscheid der Initiantinnen und Initianten. Aber angesichts der Lage, in der wir sind, dass andere Länder dasselbe Flugzeug bestellen und wir riskieren, wichtige Zeit zu verlieren und dann vielleicht erst nach den anderen Ländern beliefert zu werden: In dieser Situation wäre es sicher richtig, zu überlegen, ob ein Rückzug nicht gescheiter wäre.
Der Bundesrat hat gestern beschlossen, die Armeeausgaben bereits 2023 um 300 Millionen Franken zu erhöhen. Was genau wollen Sie mit dem Geld machen?
Wir haben in den letzten Jahren verschiedene Projekte priorisieren und damit andere zurückstellen müssen. Es gibt also einen Nachholbedarf. Wir haben Projekte, die bereit sind und die wir vorziehen können. Zum Beispiel in den Bereichen Cyber, elektromagnetischer Raum, Führungsfahrzeuge und auch bei den Mörsern 12, wo wir im Moment keine Vollausrüstung haben. Da könnten wir nachziehen.
Wir müssen schauen: Wie weit können wir gehen, ohne dass wir die Neutralität verletzen?
Sie haben in den letzten Tagen in Interviews angedeutet, dass Sie sich eine stärkere Kooperation mit der Nato vorstellen könnten. Welche Formen der Zusammenarbeit gäbe es denn, die wir bis jetzt noch nicht haben?
Wir sind jetzt schon in einer Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts «Partnership for Peace». Wenn jetzt Schweden und Finnland der Nato beitreten, fallen sie aus diesem Programm heraus und es sind nur noch die Schweiz, Österreich und Irland als europäische Länder dabei. Damit nimmt die Bedeutung dieses Zusammenarbeitsprojektes ab und wir müssen schauen: Was gibt es für andere Formen der Zusammenarbeit? Zum Beispiel Übungen, die wir zusammen machen könnten. Wie weit können wir gehen, ohne dass wir die Neutralität verletzen?
Das Interview führte Urs Leuthard.