Da kommt sie wieder, die Anfrage aus Deutschland: Nachdem die Bundesrepublik bei der Schweiz bereits vor Monaten mit ihrem Gesuch, Schweizer Gepard-Munition an die Ukraine weiterzugeben, abgeblitzt ist, geht es nun um Schweizer Leopard-2-Kampfpanzer. Deutschland will einige davon für den eigenen Bestand, denn so könne man deutsche «Leos» in die Ukraine schicken.
Während sich der Schweizer Armeechef Thomas Süssli grundsätzlich offen zeigt für das deutsche Anliegen, sind andere Teile aus Armeekreisen kategorisch dagegen. Ein Argument der Gegnerschaft: Die Panzer seien sicherheitspolitisch nicht entbehrlich.
Bruno Lezzi ist Militärhistoriker und Sicherheitsexperte. Im Interview plädiert er dafür, das Gesamtbild wieder ins Zentrum zu rücken und erklärt, dass er nichts von den derzeitigen Zahlenspielereien hält.
SRF News: Bruno Lezzi, wofür benötigt die Schweiz ihre Leopard-2-Kampfpanzer?
Bruno Lezzi: Grundsätzlich für die Verteidigung von Angriffen am Boden, wenn also feindliche Truppen auf dem Landweg in Richtung Schweiz vorrücken. Das unterscheidet sie beispielsweise auch vom Gepard, welcher für die Verteidigung des Luftraums benötigt wird. Die «Leos» sind Teil von zwei der drei Mechanisierten Brigaden in der Schweiz, unsere Verbände für die operativ-taktische Kampfführung.
Ich sehe aber zurzeit kein realistisches Szenario, in welchem die Schweiz auf dem Landweg angegriffen werden könnte.
Ich sehe aber zurzeit kein realistisches Szenario, in welchem die Schweiz auf dem Landweg angegriffen werden könnte. Daher stört mich auch die derzeitige aufgeregte Debatte.
Können Sie das ausführen?
Zunächst einmal zur Forderung aus Deutschland: Natürlich könnten wir der Bundesrepublik zumindest einen Teil der gewünschten Anzahl Kampfpanzer liefern. Aus einer sicherheitspolitischen Perspektive ist das unproblematisch, wobei das Ganze natürlich aus Sicht des Neutralitätsrechts geklärt werden muss. Hier scheinen die Meinungen nicht einheitlich zu sein. Ich beobachte aber, dass man momentan das grosse Ganze aus den Augen zu verlieren scheint.
Was meinen Sie damit?
Die Schweiz muss endlich Farbe bekennen: Wie will sie sicherheitspolitisch ihre Zukunft gestalten? Das aktuelle Beispiel zeigt nämlich auch: Wir haben uns in Kleinfragen verheddert – und solange man nicht grundsätzliche Weichen stellt, wird sich das auch in Zukunft nicht ändern.
Dazu gehört vor allem auch, dass die Schweiz ihr Verhältnis mit der Nato der aktuellen Sicherheitslage anpasst. Ich will nämlich klarstellen: Sollte es tatsächlich zum äusserst unwahrscheinlichen Szenario kommen und die Schweiz würde angegriffen, würden wir bei einer Verteidigung ohne Verbündete scheitern.
Was würde das im Beispiel der aktuellen deutschen Forderung bedeuten?
Dass man wegkommt von Fragen, ob man jetzt ein Dutzend, etwas mehr oder gar keine Kampfpanzer nach Deutschland schicken könne, dass man solche Zahlenspielereien bleiben lässt. Das hilft uns in der ganzen Debatte nicht weiter.
Die Schweiz muss endlich sagen, was sie will.
Vielmehr muss man sich überlegen, inwiefern Schweizer Bodentruppen in die Nato-Verteidigung integriert werden könnten – und ob man das schliesslich auch will. Damit geht auch die Frage einher, wie die Schweizer Leopard-2-Kampfpanzer in das Verteidigungsdispositiv der Nato hineinpassen. Oder kurz: Die Schweiz muss endlich sagen, was sie will. Denn ohne solide Vorbereitung wird Kooperation nie spielen.
Das Gespräch führte Pascal Studer.