Wenn für die meisten der Feierabend ansteht, beginnt für sie nochmal ein Arbeitstag. Ella Kewaja arbeitet nachts in einer Bäckerei. Dies, nachdem sie am Tag die fünfjährige Tochter Yokabed und den einjährigen Sohn Yosiyas betreut hat.
Wenn sie zur Nachtschicht aufbricht, übernimmt Ehemann Tedros Kewaja die Kinderbetreuung. Er arbeitet tagsüber als Lastwagenchauffeur. Ella und Tedros Kewaja lösen sich für Arbeit und Kinderbetreuung quasi im Schichtbetrieb ab. Unter der Woche sehen sich die beiden oft nur kurz bei der «Übergabe» der Kinder.
Schlaf gibt es nur ab und zu
Das eritreische Paar lebt seit zehn Jahren in der Schweiz, in Dürrenäsch im Kanton Aargau. Verwandte oder Bekannte, die bei der Kinderbetreuung helfen könnten, wohnen nicht in der Nähe. Einen Krippenplatz können sie sich nicht leisten.
Drei bis fünf Nachtschichten arbeitet Ella Kewaja pro Woche. Am Tag findet sie mal hier, mal da einige Stunden Schlaf. An ihre Grenzen sei sie aber noch nicht gestossen, meint sie. Ehemann Tedros kümmere sich gut um die Kinder.
Wir sind manchmal kaputt. Aber wir haben ein Ziel und wollen es schaffen.
Unterstützung erhält Familie Kewaja von Caritas. Die Organisation hilft bei Fragen oder Problemen bei Rechnungen oder Behördengängen. So vermittelte Caritas zum Beispiel zwischen der Familie und einem Rechnungssteller, der eine Betreibung einleiten wollte. Ausserdem unterstützte die Hilfsorganisation die Familie auf dem Weg aus der Sozialhilfe.
Jetzt ist die Familie zwar nicht mehr vom Staat abhängig, das junge Ehepaar ist dafür stark belastet. Das nehme sie aber in Kauf, meint Ella Kewaja: «Wir sind manchmal kaputt. Aber wir haben ein Ziel und wollen es schaffen. Wir müssen da durch. Damit wir später Ruhe haben und zufrieden sind.»
Beim Besuch der Reporterin in der Wohnung im Aargau sind beide Elternteile zu Hause und es gibt ein gemeinsames Abendessen der Familie. Vor dem Essen wird gebetet. Es gibt ein typisch eritreisches Gericht: Fladenbrot mit geschmortem Lammfleisch.
Eine bessere Zukunft für die Kinder
Auch die Integration ist den Eltern wichtig. Darum ist nach dem Abendessen immer Bilderbuch-Zeit. Die 5-jährige Yokabed soll die Wörter auf Deutsch und Eritreisch lernen. Dazu meldet sich Baby Yosiyas. Er hat Hunger und will gestillt werden.
Während Yokabed ins Bett geht, erzählt Ella Kewaja von ihren Zukunftsträumen. Sie möchte eine Weiterbildung machen, wenn die Kinder in die Schule gehen. Sie könnte sich vorstellen, als temporäre Pflegemutter zu arbeiten. Und mehr gemeinsame Zeit mit der Familie wäre auch schön.
Trotz der aktuell schwierigen Zeit betont Ella Kewaja, dass sie die Situation als Paar zusammenschweisse: «Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das macht uns stärker.» Wenn die beiden ausnahmsweise einmal Zeit für sich haben, sieht es wie bei anderen Familien aus. «Wir machen uns einen schönen Abend. Mit Wein und Netflix schauen. Und dann haben wir uns viel zu erzählen.»