Rekord: So viel habe der Kanton Genf noch nie eingenommen, heisst es an der Pressekonferenz der Genfer Regierung. Reine Steuereinnahmen von fast zwei Milliarden Franken. Nach allen Abzügen und Rückstellungen bleiben 727 Millionen Franken. Gerechnet hatte man mit einem Minus von fast 100 Millionen.
Es ist das zweite Jahr in Folge, dass sich der Kanton Genf verkalkuliert hat und das Resultat besser ist als erwartet. Wie kann das sein? Finanzministerin Nathalie Fontanet verweist auf die Gesundheitskrise und den Ukraine-Krieg. Die Entwicklungen seien schlicht nicht vorhersehbar gewesen.
Die Uhren- und die Finanzindustrie konnten laut Fontanet zulegen. Und auch die vielen interantionalen Handelsfirmen mit Standort Genf. Sie hätten 2022 mehr Gewinn gemacht und somit mehr Steuern bezahlt, denn wegen des Ukraine-Kriegs seien die Rohstoffpreise massiv gestiegen. Ist der Kanton Genf also eine Art Kriegsgewinner? Die FDP-Finanzministerin verneint: Schliesslich hätten sich die in Genf ansässigen Firmen an die Sanktionen gehalten.
Rohstoffbranche trug mit hohen Gewinnen bei
Florence Schurch vom Branchenverband der Schweizer Rohstoffhändler und Transporteure erinnert daran, dass im Zuge des Kriegs nicht nur die Gewinne, sondern auch die Risiken beträchtlich gestiegen seien. Transporte und Versicherungen seien sehr viel teurer geworden.
Die Unternehmen hätten zeitweise selber viel Geld investiert und Risiken übernommen, betont Schurch: «Das alles führte zu stark schwankenden Preisen, doch die Umsätze stiegen schliesslich und zuletzt waren auch die Gewinne hoch.»
Wenige zahlen viel
Wegen der Steuerharmonisierung musste der Kanton Genf zudem die Firmensteuern erhöhen: von 8 bis 11 auf neu 14 Prozent. Das hat zur Folge, dass in Genf ein paar wenige Firmen 80 Prozent der Firmensteuern bezahlen. Die gleiche Situation gebe es auch bei den Privaten, erklärt Finanzministerin Fontanet. In Genf zahlten also ein paar wenige viel – ein Klumpenrisiko.
2022 ging mehr als glimpflich aus für Genf. Das gute Resultat erlaubt es dem Kanton, Schulden abzubauen. Mit 11,5 Milliarden Franken Schulden dürfte Genf aber der am meisten verschuldete Kanton der Schweiz bleiben.
Fürs nächste Jahr hat der Kanton wieder ein Minus budgetiert. Genf rechnet mit steigenden Ausgaben, da fast 500 neue Stellen geschaffen werden sollen. Aufgrund der Krisen und geopolitischen Verwerfungen der vergangen Jahre sind Vorhersagen schwieriger geworden. Budgetieren ebenso.
Erwartungen gedämpft
Von den Rohstoffhändlern und Transporteuren sei für nächstes Jahr nicht mit einem neuen Geldregen zu rechnen, erklärt Schurch vom Branchenverband: «Der Krieg wird zwar vermutlich andauern, aber es wurden neue Lieferketten etabliert – für Öl, Gas und Korn. Die Lage hat sich stabilisiert und die Preise sinken wieder. »