Es war ein grösserer Coup, als der Kanton Bern Mitte Februar die Neuansiedlung des US-Konzerns Wabco in Bern verkünden konnte. Dank Steuervergünstigungen konnte Bern den High-Tech-Konzern mit einem Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar zum Umzug seines globalen Sitzes von Brüssel nach Bern bewegen. Das Berner Steuergesetz sieht vor, dass bei Neuansiedlungen maximal zehn Jahre lang die Gewinnsteuern erlassen werden können.
Vergünstigungen sind der EU ein Dorn im Auge
Genau solche Steuervergünstigungen könnten mit Abschluss eines Rahmenabkommens künftig nicht mehr möglich sein, befürchtet Philipp Zurkinden, Experte für EU-Wettbewerbsrecht. Aus Sicht der EU können «solche finanziellen Vergünstigungen den Wettbewerb beeinträchtigen». Das sei der EU ein Dorn im Auge, sagt Zurkinden.
Der Professor für Wettbewerbsrecht an der Uni Basel hat für die Wirtschaftskommission des Nationalrates vor kurzem ein Gutachten verfasst. Dieses kommt zum Schluss: Mit Abschluss des Rahmenabkommens könnten ganz viele staatlichen Beihilfen, wie sie die Schweiz kennt, unter Druck geraten – gar alle Beihilfen im gesamten Warenhandel Schweiz-EU, der heute im Freihandelsabkommen von 1972 geregelt ist.
EU dehnt Begriff der Beihilfe immer weiter aus
Zurkinden sagt, dass die EU seit Abschluss des Freihandelsabkommen mit der Schweiz 1972 den Begriff der Beihilfe kontinuierlich erweitert habe. Insbesondere habe sie steuerliche Vergünstigungen an Unternehmen als Beihilfe qualifiziert.
Mit Staatsbeihilfen kann man Standortnachteile kompensieren. Darum ist das für die Schweiz eben schon ein wichtiges Thema.
Damit noch nicht genug: Schlösse die Schweiz auf Grundlage des neuen Rahmenabkommens etwa ein Strom- oder Dienstleistungsabkommen ab, kämen gar noch mehr staatliche Unterstützungsmassnahmen ins Visier der EU-Beihilfe-Kontrolle. Etwa
- die aktuellen Investitionsbeiträge für die Wasserkraft über insgesamt 140 Millionen Franken,
- gewisse Staatsgarantien für Kantonalbanken,
- oder Tourismusförderungsmassnahmen wie zum Beispiel den geplanten Ausbau der Jungfraubahnen.
Staatliche Beihilfen wichtiger als Lohnschutz?
Für Benedikt Würth, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, müssen Wirtschaftsförderungsmassnahmen und Steuererleichterungen wie im Fall Wabco weiterhin möglich sein. In der neuen Regionalpolitik (NRP) seien solche Instrumente wichtig für «Unternehmen in wirtschaftlich schwachen Gegenden». «So kann man Standortnachteile kompensieren. Darum ist das für die Schweiz eben schon ein wichtiges Thema», sagt Würth.
Bei der Konsultation des Bundesrates mit den Parteien zum Rahmenabkommen letzte Woche gaben die «Staatsbeihilfen» zu reden. Das Thema wurde lange wenig beachtet. Unterdessen gilt es bei Juristen und bürgerlichen Politiker wichtiger als die offenen Fragen zum Lohnschutz.
«Präzisierungen müssten möglich sein»
So etwas fehle im jetzigen Entwurf. Darum erachtet er aus juristischer Sicht das Rahmenabkommen im Bereich Beihilfen für verbesserungsfähig. Präzisierungen mit Brüssel «müssten möglich sein», glaubt Zurkinden.
Genau von solchen Präzisierungen im Bereich Staatsbeihilfen dürfte ein «Ja» oder «Nein» der Kantone zum Rahmenabkommen abhängen. Nach der Konsultation mit dem Bundesrat wird die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) am 29. März ihre Position zum «InstA» festlegen.